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Lederwaren

Die Lederwarenfabrikation umfasst ausser der Schuhindustrie alle Wirtschaftszweige, in denen Leder zu Gebrauchsgegenständen verarbeitet wird. Das sind die Sattlereien auf der einen und die Feinlederindustrie auf der anderen Seite. Während die Sattlerei ein traditionsreiches Gewerbe darstellt (Handwerk), erlangte die Lederindustrie in der Schweiz erst in den 1930er Jahren eine gewisse Bedeutung.

Die Sattlerei Girod. Fotografie von J. Opper, 1896 (Privatsammlung).
Die Sattlerei Girod. Fotografie von J. Opper, 1896 (Privatsammlung).

Die Entwicklung des Sattlereigewerbes war eng verbunden mit derjenigen der Gerbereien. Bis in die 1930er Jahre produzierten diese beinahe nur Schwerleder, das in Sattlereien, auf technischem Gebiet und für militärische Zwecke zur Anwendung kam. Erst danach verfertigten sie auch Feinleder. Technische Lederwaren wie Treibriemen und Dichtungen wurden meist von den Gerbereien selbst hergestellt. Die kleingewerblich organisierten Sattlereien konzentrierten sich auf die Herstellung von Zaumzeug und Sätteln sowie Ausrüstungsgüter für Polizei und Armee. Mit der Motorisierung des Transportwesens verlor das traditionelle Sattlergewerbe an Bedeutung; der Bedarf an Sätteln und Zaumzeug nahm ab. Viele Sattler führten nur noch Reparaturen aus, andere stellten Polsterungen für das Autogewerbe und die Möbelindustrie her. In der Folge entstand der neue Beruf des Sattler-Tapezierers. Die wichtigsten Auftraggeber der Sattlereien waren Bund, Kantone und Gemeinden, vor allem Post, Bahn, Armee und Polizei. Deshalb trat dieses Gewerbe konzentriert im Kanton Bern auf. Als Lieferanten von Ausrüstungsgegenständen für die Armee kamen die Sattler in den Genuss besonderer protektionistischer Massnahmen, unter anderem Verbilligung der Lederimporte durch die Preisausgleichskasse für Häute, Felle, Leder und Schuhe. Ab den 1960er Jahren liess die Armee zunehmend weniger Ausrüstungsgegenstände aus Leder anfertigen. Viele Einmannbetriebe verloren dadurch die Grundlage ihrer Existenz. Die Sattlerei ist in der Schweiz beinahe bedeutungslos geworden.

Die Feinlederindustrie stellt Güter wie Handtaschen und Reiseartikel her. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Offenbach am Main, Stuttgart und Wien Zentren der Lederwarenherstellung, die auch den Bedarf der Schweiz deckten. Hier wurden als erste Feinlederwaren Uhrenarmbänder fabriziert. Dank der Ausbreitung des Tourismus entstanden in den 1920er und 1930er Jahren neue Unternehmen, die Reiseartikel herstellten. Günstige Rohwarenpreise, Schutzzölle und das Bestreben, Autarkie in der Lederherstellung zu erlangen, ermöglichten es der jungen Industrie, neben der ausländischen Konkurrenz zu bestehen. Es entstanden grössere industrielle Betriebe, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt wurden. Doch seit den 1970er Jahren befindet sich die Lederwarenfabrikation in einem steten Niedergang.

Die Sattler-Tapezierermeister organisierten sich 1899 in einem eigenen Verband, der sich vorwiegend um die Regelung von Zollfragen kümmerte. 1914 gründeten die Unternehmer der Lederwarenindustrie den Verband des Schweizerischen Reiseartikel- und Ledergewerbes. Der bedeutendste Verband der Lederarbeiter stellt der 1930 gegründete Verband der Bekleidungs-, Leder- und Ausrüstungsarbeiter (VBLA) dar. Trotz tiefen Organisationsgrads gelang es diesem 1954 erstmals, einen Gesamtarbeitsvertrag für die Lederarbeiter und -arbeiterinnen durchzusetzen. 1992 wurde der VBLA in den Smuv integriert.

Quellen und Literatur

  • H. Neumann, Leder- und Schuhindustrie, 1946
  • HSVw 2, 126-134
  • E. Ensslin, Entwicklungsanalyse und -perspektiven der schweiz. Schuh- und Lederindustrie im Lichte weltwirtschaftl. Strukturveränderungen, 1981
Weblinks

Zitiervorschlag

Niklaus Stettler: "Lederwaren", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.11.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026238/2008-11-20/, konsultiert am 10.04.2024.