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Eidgenössische Vermittlung

Die Episoden der Vermittlung während der Stanser Tagsatzung 1481, dargestellt 1513 vom Zeichner der Luzerner Chronik von Diebold Schilling (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Eigentum Korporation Luzern).
Die Episoden der Vermittlung während der Stanser Tagsatzung 1481, dargestellt 1513 vom Zeichner der Luzerner Chronik von Diebold Schilling (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Eigentum Korporation Luzern). […]

Mit dem Sammelbegriff eidgenössische Vermittlung (französisch médiation fédérale, italienisch mediazione federale) bezeichnet die Geschichtswissenschaft vielfältige Formen der Lösung unterschiedlicher Konflikte durch neutrale Vermittler in der alten Eidgenossenschaft. Das Eingreifen eidgenössischer oder nicht-eidgenössischer Dritter reichte von blosser Gesprächsleitung über materielle Lösungsangebote und gütliche oder schiedsgerichtliche Entscheide bis zur militärischen Intervention. Eidgenössische Vermittlungen konnten, sofern von den Streitparteien akzeptiert, auf jeder Konfliktstufe aus eigener Initiative, auf Nachfrage oder im Auftrag eingeleitet werden. Formale rechtliche Grundlagen der eidgenössischen Vermittlung bestanden in den uneinheitlichen, bi- und multilateralen Bundesbriefen zwischen den Kantonen nur für den Bereich der Schiedsgerichte und in der Neutralitäts- und Vermittlungspflicht der Orte Basel, Schaffhausen und Appenzell. Allgemein ist die eidgenössische Vermittlung in ihrer formlosen Flexibilität eher ein Element der politischen Kultur als des Rechts (Eidgenössisches Recht). Die in den Bündnissen institutionalisierten Schiedsgerichte verloren wegen ihrer uneinheitlichen Regelungen ab ca. 1470 an Funktionalität. Sie wurden von den vom 14. Jahrhundert an praktizierten formloseren Vermittlungsverfahren verdrängt und spätestens nach 1648 von den einzelnen Orten als Eingriff in die innere Souveränität abgelehnt. An Stelle der schiedsgerichtlichen traten politische Verfahren, die aber bei sozialen Konflikten vor allem nach 1653 von echten Kompromiss- zu obrigkeitlichen Machtinstrumenten mutierten.

Aussenpolitisch versuchten die Eidgenossen aus eigenen Interessen oder aufgrund von Bündnispflichten zu vermitteln, etwa im deutschen Bauernkrieg 1525, zwischen Frankreich und Mailand 1500 sowie zwischen England und Holland 1653. Umgekehrt trugen fremde Mächte zur Befriedung eidgenössischer Konflikte bei, zum Beispiel 1531 französische, savoyische, mailändische Gesandte und schwäbische Städte, unter anderem Augsburg, im 17. Jahrhundert vor allem Frankreich.

Bei innereidgenössischen Konflikten konnte prinzipiell jeder Kanton als Vermittler zwischen den Orten oder den Orten und ihren Untertanen auftreten. Die wichtigste Koordinationsstelle für die eidgenössische Vermittlung war die Tagsatzung, die durch Verhandlungen, Einsetzen von Schiedsgerichten, Entsenden eidgenössischer Gesandter oder Beauftragung einzelner Orte nicht wenige Konflikte zwischen Individuen, Gruppen und Orten unter sich oder mit auswärtigen Mächten einer Lösung zuführte. Trotz eidgenössischen Vermittlungen kam es zu vier auch konfessionell motivierten Bürgerkriegen (1529, 1531, 1656, 1712). Dagegen wurden Konfessionshändel in einzelnen Orten (Landesteilung Appenzell 1597; Glarner Landesverträge 1532-1757) und in den gemeinen Herrschaften entschärft. Viele Streitfälle wurden auch innerhalb der konfessionellen Lager geschlichtet. Die Rolle einzelner Persönlichkeiten für die eidgenössische Vermittlung zeigt sich im Nachruhm eines Niklaus von Flüe oder eines Johann Rudolf Wettstein. Die Bedeutung der eidgenössischen Vermittlung erwuchs aus dem Zwang zum Kompromiss bzw. aus der föderalistischen Struktur, der fehlenden zentralen (Polizei-)gewalt sowie der im Unterschied zum Heiligen Römischen Reich oder zu Frankreich geringen Verrechtlichung, unter anderem aufgrund der schwachen Rezeption des römischen Rechts. Zu den wichtigsten Wirkungen der eidgenössischen Vermittlung gehören die Stiftung eidgenössischer Kohäsion durch Kommunikation vor allem an der Tagsatzung, die Integration zugewandter Orte dank Vermittlung bei inneren Konflikten (z.B. St. Gallen, Genf) sowie die Institutionalisierung der Vermittlungsrolle der drei jüngsten (Basel, Schaffhausen, Appenzell) der dreizehn alten Orte.

Quellen und Literatur

  • EA 1-8
  • E. Usteri, Das öffentl.-rechtl. Schiedsgericht in der Schweiz. Eidgenossenschaft des 13.-15. Jh., 1925
  • Peyer, Verfassung, 39-44, 71-74, 101-104, 134-139
  • HbSG
  • N. Bütikofer, «Konfliktregulierung auf den Eidg. Tagsatzungen des 15. und 16. Jh.», in Parliaments, Estates and Representation 11, 1991, 103-115
  • A. Würgler, «Aushandeln statt Prozessieren», in Traverse, 2001, H. 3, 25-38
Weblinks

Zitiervorschlag

Andreas Würgler: "Eidgenössische Vermittlung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.11.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026421/2009-11-26/, konsultiert am 28.03.2024.