Landgrafschaften waren Verwaltungsbezirke bzw. reichslehnbare Ämter, die im Südwesten des Heiligen Römischen Reichs – vom unteren Oberrhein (Ober- und Unter-Elsass, Breisgau) bis zum Bodensee (Baar, Hegau, Klettgau) und in der heutigen Deutschschweiz (Buchsgau, Sisgau, Frickgau, Aargau, Zürichgau, Thurgau) – zum Teil in der Nachfolge karolingischer Grafschaften im späten Mittelalter geschaffen wurden zur Vertretung der Reichsinteressen, zur Sicherung des Landfriedens und als Standesgerichte für Freie (Gerichtswesen). In derselben Zeit, doch in Nachfolge des ehemaligen zähringischen Rektorats Burgund, entstanden die Landgrafschaften Burgund rechts der Aare (ze Búrgenden) und links oder jenseits der Aare (Burgundia circa Ararim).
Die Landgrafschaften waren ab Mitte des 13. Jahrhunderts als feste Organisationen in der Hand von Hochadelsfamilien (Adel), unter anderem der Grafen von Neuenburg-Nidau, Frohburg, Kyburg, Habsburg, Rapperswil und Toggenburg. Sie führten den Grafentitel als Namen und Standesbezeichnung neben dem Amtstitel Landgraf (langravius). Ende des 13. Jahrhunderts waren die ursprünglichen Lehnsämter vererbbar geworden. Weitgehend privatisiert, fielen die Landgrafschaften der Überschuldung des Adels zum Opfer und wurden wie das Familiengut verpfändet, geteilt und verkauft. Nutzniesser waren vor allem expandierende Städte wie Bern und Zürich.
Das Blutgericht gehörte zunächst nicht zu den landgräflichen Kompetenzen (Herrschaftsrechte). Nach 1300 gibt es Hinweise auf die Existenz von Landgerichten, die ab 1350 als Blutgerichte innerhalb der Landgrafschaften bezeugt sind. Offnungen überliefern erste Grenzbeschreibungen, die Gerichtsorte (Dingstätten), die gerichtsfähigen Delikte und die dem Landrichter für die Tätigkeit zustehenden Regalien (u.a. Jagd, Fundgut). Am Landgericht oder Landtag wurden unter dem Landrichter – Landgraf oder Stellvertreter – durch die gerichtsfähigen Männer – Freie wie Eigenleute – Kapitalverbrechen beurteilt und mit dem Tod oder hohen Geldbussen bestraft. Die grossen Landgrafschaften umfassten mehrere Landgerichte, Burgund zum Beispiel deren fünf. Jedes Landgericht zählte mehrere mit Stock und Galgen versehene Dingstätten.
Wohl von Anfang an waren die Landgerichte von exemten Gerichtsbezirken weltlicher und geistlicher Herren mit eigenem Blutgericht durchsetzt. Vom Landgericht Murgeten (in der Landgrafschaft Burgund) waren zum Beispiel etwa zwei Drittel des Gerichtskreises selbstständige Hoch- und Blutgerichtsbezirke, darunter Stadtgerichte. Trotz eingeschränkter regionaler Zuständigkeit liefen die Landgerichte im 14. Jahrhundert den grossen Landgrafschaften den Rang ab, vor allem da diese ihrer primären Aufgaben beraubt waren: Städtische Territorialherrschaften sicherten den Landfrieden und angesichts der Ablösung der Leibeigenschaft wurden Sondergerichte für Freie obsolet. Zudem stützten die neuen Landesherren ihre Vogteien rechtlich und räumlich auf die Landgerichte ab, was zum Verschwinden der Landgrafschaften als Rechts- und Verwaltungsbezirke führte. Die Landesherren nannten ihre Vogteien im 15. Jahrhundert Grafschaften und liessen Heerbann, Fuhrdienste und Steuern, die keine landgräflichen Herrschaftsrechte waren, unter dem Rechtsvorwand der Grafschaft ausüben, Neuerungen, die im bernischen Territorium zum Twingherrenstreit führten.