Bei den hier unter dem Sammelbegriff Bundesinterventionen behandelten Institutionen der Eidgenössischen Intervention sowie der Bundesexekution handelt es sich um Zwangsmassnahmen, die der Bund anstelle eines Kantons bzw. gegenüber einem Kanton durchsetzt.
Eidgenössische Intervention
Hervorgegangen aus den alteidgenössischen, völkerrechtlichen Versprechen gegenseitiger Hilfe, bezeichnet die Eidgenössische Intervention das Verfahren der «Quasi-Vormundschaft» des Bundes, bei dem dieser zum Schutz der verfassungsmässigen kantonalen Behörden und zur Aufrechterhaltung der Ordnung in einem Kanton eingreift (Artikel 52 BV). Dabei geht trotz der föderalistischen Kompetenzaufteilung die Ausübung der Staatsgewalt vom Kanton vorübergehend auf den Bund über. Zuständig ist grundsätzlich die Bundesversammlung; in dringenden Fällen kann die Intervention vom Bundesrat angeordnet und nachträglich von der Bundesversammlung genehmigt werden. Zumeist bestellt der Bundesrat einen Zivilkommissar zur Erkundung, Berichterstattung, Vermittlung und notfalls zum Einschreiten mit Armeeeinheiten. Von den bisher zehn Bundesinterventionen entfielen neun auf das 19. Jahrhundert. Sechs Bundesinterventionen sind auf mangelnde demokratische Gesinnung der Parteien im Umfeld von Wahlen im 19. Jahrhundert zurückzuführen. Mit Ausnahme dreier Fälle wurden im Zusammenhang mit Eidgenössischen Interventionen angeklagte Personen amnestiert. Die Kosten übernahm aus politisch-psychologischen Gründen meistens der Bund. Einzig anlässlich des Tonhallekrawalls 1871 hatte der Kanton Zürich sie selber zu tragen. Die bisher letzte Eidgenössische Intervention erfolgte 1932 in Genf (Ordnungsdienst).
Die zehn Eidgenössischen Interventionen
Jahr | Kanton | Ereignis | Bundeskommissare |
---|---|---|---|
1855 | TI | Pronunciamento (Kämpfe Radikale-Konservative) | alt Nationalrat Emmanuel Bourgeois |
1856 | NE | Royalisten-Aufstand | Bundesräte Constant Fornerodund Friedrich Frey-Herosé |
1864 | GE | Parteikämpfe nach Staatsratswahlen | Bundesrat Constant Fornerod, Oberst Louis Barman |
1870 | TI | Streit um die Kantonshauptstadt | Oberst Hans Rudolf Hess,Nationalrat Karl Karrer, Oberst Edouard Burnand |
1871 | ZH | Tonhallekrawall | Nationalrat (und späterer Bundesrat) Joachim Heer |
1875 | UR | Gotthard-Streik | Oberst Hans Hold |
1876 | TI | Auseinandersetzung Radikale-Konservative in Stabio | Nationalrat (und späterer Bundesrat) Simeon Bavier |
1889 | TI | Parteikämpfe bei Grossratswahlen | alt Bundesrat Eugène Borel |
1890 | TI | Septemberrevolution (Radikale-Konservative) | Oberst Arnold Künzli |
1932 | GE | Krawalle zwischen Rechts- und Linksextremen | Keine Ernennung |
Bundesexekution
Im Unterschied zur Eidgenössischen Intervention bezeichnet die Bundesexekution Zwangsmassnahmen des Bundes gegenüber einem Kanton, der seinen gegenüber dem Bund bestehenden Pflichten nicht nachkommt. Zuständig ist auch hier die Bundesversammlung, die Durchführung obliegt dem Bundesrat (Artikel 173 und 186 BV). Bevor eine Bundesexekution stattfinden kann, bedarf es einer Zwangsandrohung durch den Bund. Mittel der Bundesexekution sind die sogenannte Ersatzvornahme, d.h. die Erfüllung einer Bundespflicht durch den Bund auf Kosten des säumigen Kantons, die Sistierung von Subventionen und – als ultima ratio – das militärische Einschreiten. Seit der Gründung des Bundesstaats ist es noch nie zu einer militärischen Bundesexekution gekommen. Als 1884 das Tessin im Zusammenhang mit den Nationalratswahlen bundesrechtswidrige Massnahmen beschlossen hatte, genügte die Androhung des Bundes, Truppen zu entsenden, um den Kanton zum Einlenken zu bewegen.
Quellen und Literatur
- C. Hilty, «Die eidg. Interventionen», in Polit. Jb. der Schweiz. Eidgenossenschaft 6, 1891, 1-71
- J.-L. Vez, Le pouvoir de disposer des moyens stratégiques dans la défense générale, 1985
- B. Schelbert, Die rechtl. Bewältigung ausserordentl. Lagen im Bund, 1986
- U. Häfelin, W. Haller, Schweiz. Bundesstaatsrecht, 52001, 347-349
Kontext | Bundesexekutionen |