Modernismus bezeichnet eine Richtung in der katholischen Kirche, welche auf theologischem, philosophischem, sozialethischem und literarischem Gebiet einen Ausgleich zwischen kirchlicher Lehre und geschichtlichem Denken anstrebte. Geprägt wurde der Begriff ab 1903 von den Gegnern der Bewegung; in der Enzyklika «Pascendi dominici gregis» von 1907 definierte Papst Pius X. den Modernismus als ein häretisches theologisches System, das eine komplexe Einheit aus innerweltlicher Philosophie, subjektivistischer Glaubensauffassung, rationalistischer Bibelkritik und innerkirchlichen Reformbestrebungen darstelle, und verurteilte ihn als «Sammelbecken aller Häresien». Modernismus als in sich geschlossenes System im Sinn der Enzyklika hat es nie gegeben, wohl aber als Auseinandersetzung um die religiös-kulturelle Positionierung des Katholizismus in der Moderne. Trotz der disziplinären Massnahmen, die mit der Enzyklika verbunden waren, wurde 1910 der sogenannte Antimodernisteneid eingeführt, den jeder Kleriker vor dem Empfang der höheren Weihen bzw. vor der Übernahme eines kirchlichen Amts und auch vor der Erlangung eines Doktorats in Theologie abzulegen hatte. Er wurde 1967 aufgehoben. Verbreitung fand der Modernismus vor allem in Frankreich, Italien, Grossbritannien sowie unter dem Namen Reformkatholizismus im deutschsprachigen Raum. Obschon das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) die wesentlichen Themen des Modernismus aufgegriffen hat, markiert der Modernismus-Streit eine bis heute fortdauernde Problematik in der katholischen Kirche.
In der Schweiz fand die Kontroverse um den «theologischen Modernismus» 1912-1913 ihren Höhepunkt im Streit um Caspar Decurtins' Kritik am Buch «Der Modernismus» (1912) des Churer Weihbischofs Anton Gisler. Dieser geriet deswegen selbst in den Verdacht des Modernismus, obschon er ein führender antimodernistischer Theologe war. Einen eigenen schweizerischen Beitrag zum internationalen Modernismus-Streit bildete 1909-1910 die Auseinandersetzung um den «literarischen Modernismus». Vor dem Hintergrund des Literaturstreits in Deutschland und des innerkirchlichen Integralismus ging die Diskussion um die Frage, ob der katholische Literaturbetrieb von seinen weltanschaulichen Inhalten zu lösen oder ob das katholische Literaturschaffen zweckgebunden als Teil des kirchlichen Verkündigungsauftrags beizubehalten und deshalb auf Distanz zur Moderne zu verpflichten sei. Angriffe des integralistischen Laien Decurtins auf die österreichische Schriftstellerin Enrica von Handel-Mazzetti und ihren von ihm als «modernistisch» disqualifizierten Roman «Jesse und Maria» (1906, mehrfach nachgedruckt) wurden von Heinrich Federer unterstützt, der offenbar auf Druck des Churer Bischofs Georg Schmid von Grüneck unter dem Pseudonym «Senex» in die Debatte eingriff, auf moderat-integralistischer Seite von Albert Meienberg, Gisler und katholischen Zeitungen wie dem «Vaterland» und der «Ostschweiz» jedoch zurückgewiesen. 1914 endete der Modernismus-Streit, der sich in der Schweiz auf einen Kreis von Spezialisten aus Klerus und katholischer Bildungselite beschränkt hatte. Das Kirchenvolk und der grössere Teil des Klerus waren davon praktisch unberührt geblieben.