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Klosterschulen

Als Klosterschulen werden die seit dem Mittelalter zu Klöstern gehörenden Schulen bezeichnet. In ihrer Hochblüte vom 8. bis zum 12. Jahrhundert stellten sie im Abendland neben den Domschulen die wichtigsten Bildungsstätten dar (Schulwesen). Die Klosterschulen verbreiteten sich von irischen und angelsächsischen Klöstern aus auf dem Kontinent. Ihre Entwicklung war eng mit jener der Benediktiner verbunden. Im Zuge der Katholischen Reform entstanden zahlreiche von den Ursulinen und Jesuiten gegründete Klosterschulen. Umgangssprachlich bezeichnet man heute nicht nur die Internate der alten monastischen Orden als Klosterschulen, sondern alle Schulen, die von den Orden und Kongregationen der katholischen Kirche als Privatschulen betrieben werden.

Mittelalter und frühe Neuzeit

Ab dem 8. Jahrhundert dienten Schulen an den Bischofskirchen der Ausbildung des Klerikernachwuchses. Vom Bischof (Domschulen) oder von den Kapiteln (Stiftsschulen) abhängig, gelangten sie im Hochmittelalter zu grosser Blüte, bis sie die Führung an die entstehenden Universitäten und Stadtschulen abgeben mussten. Wichtiger als die Domschulen waren beim Weitergeben mittelalterlicher Bildung jedoch zunächst die Klosterschulen. Vom 8. bis 12. Jahrhundert führten im Gebiet der heutigen Schweiz die meisten Klöster eine Schule, in der dem eigenen Nachwuchs und Laien elementare Kenntnisse des Lesens, Schreibens und Singens sowie der gottesdienstlichen Texte vermittelt wurden. Dies galt für Männer- und Frauenklöster. Grosse Abteien mit eigenem Skriptorium (St. Gallen, Einsiedeln, Engelberg, Pfäfers, Disentis, Allerheiligen in Schaffhausen) legten besonderen Wert auf die Ausbildung in Latein und in den Fächern des Triviums (Grammatik, Rhetorik, Dialektik), vereinzelt und etwas später des Quadriviums (Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik). Mit dem Aufblühen der Städte im 13. Jahrhundert und mit der Möglichkeit, an Universitäten zu studieren, ging die allgemeine gesellschaftliche Bedeutung der Klosterschulen zurück. In den alten Klöstern sowie in den Niederlassungen der Zisterzienser, Prämonstratenser und der Bettelorden blieben Klosterschulen als Stätten der Vermittlung geistiger Kenntnisse und Fertigkeiten für das Klosterleben bestehen.

Nach der Reformation bestanden Klosterschulen nur noch in den katholischen Teilen der Eidgenossenschaft fort. In den beiden Jahrhunderten nach dem Konzil von Trient bestimmte der Geist der Katholischen Reform das Lehrprogramm. Neben die Klosterschulen der alten Orden traten jene der Kapuziner, die im Verlauf des Ancien Régime in zwölf ihrer Klöster in der Schweiz ein philosophisch-theologisches Studium für die Ausbildung des Ordensnachwuchses einrichteten. Der im 16. Jahrhundert entstandene Jesuitenorden sicherte sich durch die Gründung von Kollegien in Luzern (1574), Freiburg (1582), Pruntrut (1591), Solothurn (1646), Brig (1662) und Sitten (1734) eine Art Bildungsmonopol. Die jesuitische Studienordnung von 1599, die ratio studiorum, übte mit ihrer Betonung der humanistischen Fächer auf alle höheren katholischen Schulen einen bestimmenden Einfluss aus. Anders als die traditionellen Klosterschulen verstanden sich die Jesuitenkollegien keineswegs nur als Ausbildungsstätten des Ordensnachwuchses, vielmehr wollten sie die männliche Jugend umfassend erziehen und auf ihre künftige Verantwortung in den höheren Berufen vorbereiten. In enger Anlehnung an das Unterrichtssystem der Jesuiten widmeten sich die Ursulinen der Mädchenbildung (Mädchenerziehung). Sie eröffneten im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts in Pruntrut, Freiburg, Luzern, Brig, Delsberg, Mendrisio und Bellinzona Töchterpensionate, in denen ergänzend zu den Elementarfächern eine höhere Bildung mit Französisch und Deutsch als Fremdsprachen vermittelt wurde. An einigen Schulen bestanden Ausbildungsgänge für zukünftige Lehrerinnen. Ähnliche Pensionate führten die Visitantinnen und einzelne Frauenklöster. Nachdem bereits um 1773 die meisten Jesuitenkollegien infolge der Aufhebung des Ordens geschlossen oder in weltlichen Schulen umgewandelt worden waren, mussten in der Helvetik vorübergehend alle Klosterschulen ihre Tore schliessen.

19. und 20. Jahrhundert

"Mutterhaus, Seminarpensionat der Lehrschwestern vom Heiligen Kreuz in Menzingen, Kanton Zug, Schweiz". In Paris gedruckte Publikation des Schwesterninstituts, 1904 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf).
"Mutterhaus, Seminarpensionat der Lehrschwestern vom Heiligen Kreuz in Menzingen, Kanton Zug, Schweiz". In Paris gedruckte Publikation des Schwesterninstituts, 1904 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf). […]

Während der Restauration lebten die Klosterschulen wieder auf. Nicht nur von Seiten des Staates, auch von wohlmeinenden Freunden wie Ignaz Heinrich von Wessenberg und Friedrich Emanuel Hurter wurden die Klöster aufgefordert, sich durch Lehranstalten und Schultätigkeit nützlich zu machen. Nachdem Papst Pius VII. 1814 die Gesellschaft Jesu wiederhergestellt hatte, beriefen die Kantone Wallis, Freiburg, Schwyz und Luzern Jesuiten und vertrauten ihnen die Kollegien in Sitten (1806, eigentlich nicht den Jesuiten, sondern zuerst der Societas fidei Iesu), Brig (1814), Freiburg (1818), Estavayer (1827), Schwyz (1836) und Luzern (1845) an. Der Sonderbundskrieg und die Aufnahme des Jesuitenverbots in die Bundesverfassung von 1848 bedeuteten einen Einbruch, doch bauten die Katholiken das höhere Bildungswesen trotzdem weiter aus. Die Aufhebung der Jesuitengymnasien wurde durch die schrittweise Erweiterung der Klosterschulen in Einsiedeln (1848), Disentis (1850), Engelberg (1851), Sarnen (1891) und Saint-Maurice (1895) wettgemacht. Neue Kollegien für Knaben entstanden in Stans (1892), Bellinzona (1896), Altdorf (UR, 1906), Appenzell (1908) und Pruntrut (1925). Zu den Klosterschulen der Benediktiner, der Kapuziner und der Chorherren von Saint-Maurice kamen jene der Kongregationen (Schulbrüder, Marianisten, Redemptoristen, Salesianer) und der Missionsgesellschaften hinzu, die sich in der Schweiz niederliessen (Immensee, 1896). Oft mit bescheidensten finanziellen Mitteln eröffnet, erlangten die katholischen Knabeninstitute bald allgemeine Bedeutung als höhere Mittelschulen. Ein ähnliches Phänomen zeichnete sich im Bereich der höheren Töchterbildung ab. Mit der Gründung der neuen Frauenkongregationen entstanden freie Lehrerinnenseminare (Lehrerseminar) mit angeschlossenen Pensionaten in Baldegg (1842), Menzingen (1851), Ingenbohl (1860), Bellinzona (1884), Bulle (1899) und Cham (1902). Nach der Jahrhundertwende fächerte sich das Bildungsangebot der weiblichen Kongregationen in eine Vielfalt neuer Schultypen auf: Es entstanden Kindergärtnerinnen- und Arbeitslehrerinnenseminare, Handels- und Haushaltungsschulen, Schulen für Krankenpflege. Die Menzinger Schwestern schufen 1909 in Freiburg mit der Académie Sainte-Croix, die Ingenbohler Schwestern 1925 mit dem Mädchenpensionat Theresianum in Ingenbohl Gymnasien für Mädchen. Alle diese Ordensschulen erlebten während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen starken Aufschwung und trugen wesentlich zur Bildung der katholischen Bevölkerung bei.

Das Arbeitszimmer für den Handarbeitsunterricht. Illustration in einer Publikation der Lehrschwestern vom Heiligen Kreuz in Menzingen, 1904 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf).
Das Arbeitszimmer für den Handarbeitsunterricht. Illustration in einer Publikation der Lehrschwestern vom Heiligen Kreuz in Menzingen, 1904 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf).

Die Orden und Kongregationen führten 1975 in der Schweiz 71 Schulinstitute, von denen wegen der zunehmenden Nachwuchsprobleme der Orden und aufgrund der Reformen im höheren Bildungswesen bis Ende des 20. Jahrhunderts mehr als die Hälfte geschlossen oder in öffentliche Schulen (Altdorf, Schwyz, Appenzell, Stans, Sarnen) überführt worden war. Die verbliebenen Ordens- und Klosterschulen verstehen sich heute mit ihrem Leitbild einer christlichen Pädagogik als Alternative zu öffentlichen Ausbildungsstätten. Nebst der Wissensvermittlung legen die Klosterschulen vermehrt Wert auf die Entfaltung des ganzen Menschen.

Quellen und Literatur

  • Lex. der Pädagogik, hg. von H. Kleinert et al., 2, 1951, 63-65
  • Lex. der Pädagogik, hg. von H. Rombach, 1, 1970, 314-316; 3, 1972, 245-246
  • HS III-VIII
  • B. Andenmatten et al., Ecoles et vie intellectuelle à Lausanne au Moyen Age, 1987
  • LexMA 5, 1226-1228
  • Schweizer Katholizismus im Umbruch, 1945-1990, hg. von U. Altermatt, 1993, 17-86
  • LThK 6, 149 f.
Weblinks

Zitiervorschlag

Patrick Braun: "Klosterschulen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.10.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/027151/2011-10-05/, konsultiert am 12.02.2025.