Das Veto, auch Volksveto genannt, ist ein politisches Recht und gilt als Vorläufer des modernen Referendums. Es handelte sich um ein Einspruchsrecht gegen Gesetze und allenfalls weitere Vorlagen und beherrschte im 19. Jahrhundert für Jahrzehnte die Diskussionen um die direktdemokratischen Rechte. Es erfüllte die Forderung nach Formen der unmittelbaren Volksherrschaft, die nicht nur auf die Verfassungsgebung, sondern auch auf die laufende Staatstätigkeit, vorab auf die Gesetzgebung, zielten. In der französischen Montagnard-Verfassung von 1793 war das Veto enthalten und diente hinsichtlich der technischen Ausgestaltung einigen Kantonen als Vorbild, während zur politischen Durchsetzung des neuen Volksrechts auf alteidgenössische Einrichtungen wie die Landsgemeinde Bezug genommen wurde.
Die St. Galler Kantonsverfassung von 1831 kannte als erste das Veto, das einen Kompromiss zwischen den Verfechtern des rein repräsentativen Systems und den Anhängern der direkten Demokratie im Rahmen einer dezentralen Versammlungsdemokratie darstellte. Danach konnten 50 Bürger einer politischen Gemeinde innerhalb von 45 Tagen ab Erlass von Gesetzen und Staatsverträgen in genau definierten Bereichen die Durchführung einer Versammlung verlangen, um zu beraten, ob gegen das Gesetz Einspruch erhoben werden sollte. Bedingung für das Zustandekommen der sogenannten Einwendung war, dass die Mehrheit der stimmberechtigten Bürger der Gemeinde das Gesetz verwarf. Als dem Veto nicht zustimmend wurden nach der St. Galler Regelung auch jene Bürger gezählt, die an der Gemeindeversammlung nicht erschienen. Verwarf eine Gemeinde das Veto, zählten alle Stimmbürger der Gemeinde als gesetzeszustimmend. Kam in einer Gemeinde kein Begehren auf Abhaltung einer Gemeindeversammlung zustande, zählten auch in diesem Fall alle Stimmbürger der Gemeinde als gesetzeszustimmend (Stimmfiktionen). Wurde das Veto nur in einer oder wenigen Gemeinden des Kantons verlangt, hatte es gesamtkantonal keine Aussicht auf Erfolg. Die Einwendung führte zum Ziel, wenn die unter diesen Voraussetzungen berechnete absolute Mehrheit der im Kanton Stimmberechtigten gegen das Gesetz stimmte. Obwohl das sankt-gallische Veto durch seine Ausgestaltung eine hohe Hürde zu überwinden hatte, kam es bei 40 Versuchen viermal zustande, nämlich zweimal 1831 (Hausiergesetz, Wirtschaftsgesetz) sowie einmal 1834 (Gesetz über Rechte des Staats in kirchlichen Angelegenheiten) und 1835 (Gesetz über Zoll- und Wegverhältnisse). Da es wegen der Stimmfiktionen eine gewaltige Gegnerschaft bzw. eine allgemeine Empörung brauchte, damit ein Gesetz fiel, sprach man von «Vetostürmen».
Nach St. Gallen übernahmen 1832 Basel-Landschaft, 1839 Wallis, 1841 Luzern, 1849 Thurgau und 1852 Schaffhausen das Instrument, während dieses Unterfangen 1839 in Solothurn und 1842 in Zürich scheiterte. Das Veto erwies sich als kurzlebig: Bereits ab den 1840er Jahren begannen die Kantone mit der Einführung des Referendums, so 1845 die Waadt und 1854 Graubünden. Der Übergang vom Veto zum Referendum kannte Zwischenformen wie das 1856 in Solothurn eingeführte Vetoreferendum und endete mit der demokratischen Bewegung.
Das Veto war kein einheitliches und klares Rechtsinstitut, weil es in den Kantonen in unterschiedlicher Ausprägungen vorkam. Zum allgemeinen Begriff des Vetos gehörten die Stimmfiktionen, welche die Ablehnung eines Gesetzes erschwerten. Das spätere, kantonal auszulösende Referendum, das nur die tatsächlichen und gültigen Stimmen zählte und ein einfaches Mehr für die Annahme verlangte, war leichter zu gewinnen. Da beim Veto ausschliesslich Stimmberechtigte gegen eine Vorlage mobilisiert werden mussten, war ihm ein negativer Charakter, eben ein «Vetosturm», eigen.