Die Frauen- und Geschlechtergeschichte geht davon aus, dass die Geschlechterdifferenz und das Geschlechterverhältnis fundamentale Ordnungsstrukturen historischer wie gegenwärtiger Gesellschaften darstellen, die sich auf der Grundlage des Ausschlusses von Frauen aus Bereichen der Macht entwickelten (Gleichheit). Die Erforschung der Rolle, die dem Geschlecht in früheren wie modernen Gesellschaften zukommt, erlaubt deshalb Einsichten in deren Funktionsweise und Genese.
Probleme der Frauengeschichte waren schon in historischen Untersuchungen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in der Zwischenkriegszeit aufgegriffen worden. Die unübersehbaren Ungerechtigkeiten bezüglich der Stellung der Frau in der Gesellschaft verlangten nach kritischen Auseinandersetzungen mit vielschichtigen Fragen wie dem Frauenstimmrecht, der weiblichen Erwerbsarbeit und der Bildungssituation (Mädchenerziehung). Mehrere Wegbereiter und Wegbereiterinnen der Gleichstellung wie Louis Bridel, Carl Hilty, Auguste de Morsier und Emilie Gourd sowie zahlreiche Frauenorganisationen (Frauenbewegung) leisteten zentrale Beiträge zu den staatsbürgerlichen und politischen Rechten der Frauen sowie zu deren Situation in Gesellschaft und Arbeitswelt (Margarita Schwarz-Gagg, Emma Steiger, Saffa 1928).
Die geschlechterspezifische Dimension der Geschichte wurde in der Schweiz, ausgehend von der Frauenbewegung nach 1968 und inspiriert von internationalen Diskussionen, unter dem Begriff Frauengeschichte bzw. historische Frauenforschung erstmals in den 1970er und 1980er Jahren untersucht. Der langwierige Kampf, welcher der Einführung des Frauenstimmrechts auf eidgenössischer Ebene 1971 voranging, verdeutlichte ausserdem die Notwendigkeit, die Bereiche und Formen der Frauendiskriminierung in ihrer historischen Spezifik zu analysieren. Denn sowohl die in der Disziplin lange Zeit vorherrschende Politikgeschichte als auch die sich ab den 1960er Jahren durchsetzende Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die vor allem makrohistorische Aspekte, Konjunkturen und Strukturen untersuchten, blendeten als reine Männerdomänen Frauen und weibliche Lebenszusammenhänge in ihren Fragestellungen weitgehend aus.
Ging es in einer ersten Phase darum, über die Existenz einer den Frauen eigenen Geschichte und über die Möglichkeiten einer solchen Frauengeschichte, also über methodologische Fragen und Quellenbestände nachzudenken, wurde Frauengeschichte zwischen Ende der 1980er und Ende der 1990er Jahre neu als Geschlechtergeschichte konzipiert. Unter diesem Begriff beschäftigte sich die historische Forschung verstärkt mit der gesellschaftlichen Organisation der Beziehungen zwischen den Geschlechtern, dem Geschlechterverhältnis sowie dem Herrschaftscharakter geschlechtlicher Differenzierung (Geschlechterrollen). Geschlecht wurde dabei aufgrund einer sozialhistorischen Ausrichtung der Fragestellung in seiner Verschränkung mit sozialer Ungleichheit gedacht und das Verhältnis von «Klasse» und «Geschlecht» intensiv diskutiert. Im Zuge von Poststrukturalismus und linguistic turn gingen Forschende mit diskursanalytischen und später kulturwissenschaftlichen Ansätzen dazu über, den Konstruktionscharakter des Weiblichen und des Männlichen als soziale und kulturelle Kategorien zu befragen. Unter dem Stichwort Intersektionalität, einer von den sozialen Bewegungen, der Rechtswissenschaft und den gesellschaftlichen Realitäten der US-amerikanischen Gesellschaft geprägten Theorieströmung, steht seit den 2000er Jahren zudem das Wissens- und Deutungsmonopol westlicher Forschung über marginalisierte Bevölkerungsgruppen in der Kritik. Geschlecht wird dabei als ein Differenzierungs- und Diskriminierungsfaktor neben Hautfarbe, Ethnizität, Staatsbürgerschaft, Klasse, Alter usw. verstanden.
Die Frauen- und Geschlechtergeschichte hat sich nicht nur methodisch, sondern auch thematisch zu einem heterogenen Forschungsfeld entwickelt, dessen Themen hier nur skizziert werden können. Die Spurensuche der Anfangsjahre fokussierte einerseits die Lebens- und Arbeitsrealitäten (Alltagsgeschichte) von Frauen nach 1850 – Arbeiterinnen, religiöse Frauen aus dem Bürgertum, erste Studentinnen an Schweizer Universitäten sowie Organisationen der Frauenbewegung –, andererseits die Beschaffenheit moderner Herrschafts- und Wissensformen mit der Etablierung einer «Sonderanthropologie des Weibes» (Claudia Honegger). Auch zeigten Historikerinnen, wie am Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit die Einführung neuer Delikte (Hexerei, Homosexualität, Prostitution oder Kindstötung) spezifisch Frauen kriminalisierte und eine neue Geschlechter- und Gesellschaftsordnung festlegte. Arbeiten zur Abtreibung wiesen in den 1990er Jahren auf eine ähnlich geartete Körperpolitik im Umgang mit den Krisen des 20. Jahrhunderts hin. In der französischen Schweiz stand die Produktion von Ungleichheit (Klassengesellschaft), besonders der Ausschluss von Frauen aus der stabilen, qualifizierten und ausreichend bezahlten Erwerbsarbeit (Arbeit, Lohn, Beruf) im 20. Jahrhundert im Vordergrund, woran Untersuchungen zum Sozialstaat und zum prekären Status von Staatsbürgerinnen anknüpften (Bürgerrecht). Fanden seit den 2010er Jahren postkoloniale, migrationsgeschichtliche und transkulturelle Fragen vermehrt Beachtung, wurden auch Freundschaft, Ehe und Geburt als Themen (wieder) aufgegriffen. Auch erfreut sich die Geschichte der Frauenbewegung und der Frauenarbeit (Care Arbeit) erneuter Aufmerksamkeit.
Erste universitäre Seminare zum Thema erkämpften sich Studentinnen und Mittelbauangehörige ab Ende der 1970er Jahre. 1983 wurde der Verein Feministische Wissenschaft Schweiz (FemWiss) gegründet mit dem Ziel, Frauenforschung und feministische Wissenschaft zu fördern (Feminismus). Die erste wissenschaftliche Tagung zur Frauengeschichte fand im gleichen Jahr in Bern statt; bis 2007 folgten elf weitere sogenannte Schweizerische Historikerinnentagungen (ab 2007 Schweizerische Tagung für Geschlechtergeschichte), deren Kongressbände die Themen und Fragestellungen in der Schweiz über drei Jahrzehnte dokumentieren. Archive zur Frauengeschichte sind die um 1970 gegründeten Archives du Mouvement de libération des femmes (MLF), die seit 1982 bestehende Gosteli-Stiftung in Worblaufen zur Geschichte der schweizerischen Frauenbewegung, das 1997 eingerichtete Frauenkulturarchiv Graubünden, das 2000 eröffnete Archiv für Frauen-, Geschlechter- und Sozialgeschichte Ostschweiz sowie die 2001 gegründete Associazione archivi riuniti delle donne Ticino. Fachzeitschriften, die in Frankreich, Grossbritannien, Österreich und später Deutschland auf den Markt kamen, nehmen seit den 1990er Jahren regelmässig Schweizer Beiträge auf; die 1981 gegründete französische Zeitschrift Nouvelles Questions Féministes erscheint seit 2002 in Lausanne. Auch die Schweizer Zeitschrift für Geschichte und die Traverse geben der Geschlechtergeschichte vermehrt Raum; besonders Letztere publizierte seit 2000 zahlreiche Beiträge, die von der Breite konzeptueller und methodischer Ansätze in der Frauen- und Geschlechtergeschichte zeugen. 1996 widmete die Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz (AGGS) den Schweizerischen Historikertag unter dem Titel «Frauen und Staat» erstmals der Frauen- und Geschlechtergeschichte. Historische Studien wurden in mehreren, vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Nationalen Forschungsprogrammen (NFP) aufgenommen, etwa im NFP 35 «Frauen in Recht und Gesellschaft – Wege zur Gleichstellung» (1993-1996) oder im NFP 51 «Integration und Ausschluss» (2003-2007). Ab Ende der 1980er Jahre konzipierten Historikerinnen schliesslich regelmässig geführte Frauenstadtrundgänge in zahlreichen Städten der Schweiz, deren Erarbeitung neue Quellen erschlossen und oft in regional- oder kantonsgeschichtliche Publikationen einflossen (z.B. Zug, Thurgau, Genf, Appenzell, Graubünden oder Baselland).
Die frauen- und geschlechterhistorische Perspektive – die Geschichte der Unterdrückung von Frauen sowie die Historisierung der vorgeblich natürlichen Geschlechterordnung – war auch massgebend für die Ausbildung einer interdisziplinär ausgerichteten Frauen- und Geschlechterforschung in der Schweiz. Insbesondere Historikerinnen und Soziologinnen setzten sich in den 1990er Jahren für die Institutionalisierung von Studiengängen ein, die sich mit den sozialen Beziehungen zwischen den Geschlechtern beschäftigten und als Gender Studies bekannt wurden. So richtete die Universität Genf 1995 einen Ausbildungsgang ein, aus dem 2003 ein Institut hervorging. Die Universität Zürich folgte 1998 mit einem Kompetenzzentrum Gender Studies. 2001 gründeten Forscherinnen der Universität Lausanne das Laboratoire interuniversitaire en études genre (Liege) für Geschlechterforschende und Gleichstellungsbeauftragte, seit 2008 Centre en études genre (CGE), und an der Universität Bern etablierte sich 2001 das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG). Die im Bereich Gender Studies tätigen Institutionen organisierten sich in verschiedenen interuniversitären Zusammenschlüssen, Graduiertenschulen und einer eigenen Interessensvertretung, der 1997 gegründeten Schweizerischen Gesellschaft für Geschlechterforschung (SGGF). Lehrstühle entstanden – oft keineswegs gleichzeitig mit der Institutionalisierung – in Basel, wo Regina Wecker ab 1993 eine Assistenzprofessur bzw. 1997-2009 eine ausserordentliche Professur für Frauen- und Geschlechtergeschichte innehatte, und in Lausanne mit der 2000 geschaffenen Assistenzprofessur von Patricia Roux, die 2003 in eine assoziierte Professur umgewandelt wurde. Das erste Ordinariat für Gender Studies in der Schweiz übernahm 2001 Andrea Maihofer an der Universität Basel; 2009 wurde ein Lehrstuhl für Gender Studies und Islamwissenschaft an der Universität Zürich geschaffen, an den Bettina Dennerlein berufen wurde. In diesem disziplinübergreifenden Institutionalisierungs- und Konsolidierungsprozess etablierten sich die Gender Studies als eigenständiger Lehr- und Forschungsbereich mit nunmehr eigenem Kanon. Dabei ist eine zunehmende Annäherung zwischen den Sprachregionen aufgrund der hegemonialen Amerikanisierung der untersuchten Fragen und Themen festzustellen.
Die anfänglich prägende geschichtswissenschaftliche Perspektive trat demgegenüber im 21. Jahrhundert in den Hintergrund. Die Frauen- und Geschlechtergeschichte selbst ist in der Schweiz kaum institutionell verankert und bleibt als fachliche Spezialisierung einzelner Professorinnen und Dozentinnen an Personen bzw. an universitätspolitische Konjunkturen gebunden.