Als K. werden Lesestoffe bezeichnet, die durch den städt. und ländl. Hausierhandel (colportage) ab dem 16. Jh. vertrieben wurden (Hausierer). Dazu gehören Flugblätter, polit. und religiöse Traktate, Erbauungsliteratur, Kalender und Almanache, medizin. Werke, Lexika, Jugendschriften (Kinder- und Jugendliteratur), Bilderbogen, aber auch literar. Werke wie Märchen, Abenteuerromane und verkürzte Prosabearbeitungen ma. Romane (sog. Volksbücher).

Die auf schlechtem Papier gedruckten Schriften wurden von den meist aus einfachsten sozialen Verhältnissen stammenden Kolporteuren, die oft in der Kolportage ihre einzige Verdienstmöglichkeit sahen, v.a. auf dem Land vertrieben, manchmal auch vorgelesen. Der Kolporteur war im 18. und 19. Jh. der wichtigste Lesestofflieferant, wobei seine Bedeutung hauptsächlich darin lag, dass er den Lesebedarf der einfachen, ländl. Bevölkerung deckte. Diese hatte kaum Zugang zu Leihbibliotheken und besass keine eigenen Bücher. Die dt. Schweiz wurde häufig von Süddeutschland aus beliefert. Ab Mitte des 19. Jh. bereicherte die neue Gattung des Fortsetzungsromans die K. Dieser umfasste bis zu 200 Lieferungen im Umfang von 16-48 Seiten - ab den 1880er Jahren 80-110 Hefte à 24 Seiten -, und wurde v.a. in den Städten im Abonnement abgesetzt. Die Hefte enthielten Liebesgeschichten, hist. Romane (z.T. mit aktuellen Themen wie dem Tod Ludwigs II. von Bayern oder dem Balkankrieg von 1912-13), Reiseromane oder Kriminalgeschichten, wie man sie noch heute in der Trivialliteratur in Form von Heftromanen findet.
Die grosse Verbreitung und der Erfolg dieser Romane brachte eine Debatte um ihren Wert in Gang. Der Kolportageroman wurde als Schund bezeichnet. Hauptsächlich kirchl. Kreise und Lehrer warfen ihm die Zerstörung des Sinns für Wahrheit und Wirklichkeit sowie die Verherrlichung von Verbrechern und Gewalt vor. Ausserdem wurde kritisiert, er appelliere an die niedrigen Triebe der Menschen, veranlasse die Leser zu unmoral. Handlungen und verführe zur Lesesucht. Als Reaktion entstanden die Jugendschriftenbewegung Gute Schriften und das Schweizerische Jugendschriftenwerk. Nach dem 1. Weltkrieg verschwand die schon ab 1905 an Bedeutung verlierende K. Sie machte Romanen Platz, die auf anderen Wegen vertrieben wurden (Kioskliteratur).