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Acht

Im Gegensatz zum Bann (Exkommunikation) des geistlichen Gerichts wurde die Acht vom weltlichen Gericht verhängt. Sie machte den Betroffenen recht- und friedlos. Achtgründe waren im Frühmittelalter schwere und besonders verwerfliche Delikte (sogenannte Meintaten) sowie der Ladungs- und Urteilsungehorsam, der im hohen und späten Mittelalter zum Regelfall wurde. In der strengsten Form hatte sie den Ausschluss des Betroffenen aus der Rechtsgemeinschaft zur Folge. Der Geächtete (lateinisch bannitus, mittelhochdeutsch-neuhochdeutsch Ächter), der die Gemeinschaft der Menschen fliehen musste, wurde als Friedloser in fehderechtlicher Terminologie (Fehde) zum Feind des Königs und der Volksgemeinschaft (Randgruppen). Er wurde aus dem Schutz, Schirm und Frieden von König und Reich in den Unfrieden und in Ungnade gesetzt. Sein Leib, Hab und Gut waren jedermann preisgegeben. Er wurde vogelfrei in dem doppelten Sinne, dass er wie ein Tier dem Menschen sowie als Mensch den Tieren ausgeliefert sein sollte. Jedermann durfte und sollte ihn busslos angreifen und erschlagen. Es war verboten, ihm Unterkunft, Essen und Trinken zu geben, überhaupt mit ihm zu verkehren. Die Ehefrau des Geächteten wurde formelhaft zur Witwe erklärt, seine Kinder galten als Waisen. Die volle Friedlosigkeit bildete jedoch bereits im Mittelalter die Ausnahme.

Die Acht wurde vor allem dann ausgesprochen, wenn jemand der Vorladung vor Gericht nicht Folge leistete. Wenn der Beklagte, der in Abständen von 14 Tagen zu drei Gerichtstagen vorgeladen wurde, auch am dritten Tag ausblieb, erging auf Antrag des Klägers ein Achturteil. Wie bei der Stadt- und Landesverweisung konnte dies zu weiträumiger Isolierung des Geächteten führen. Der Kläger konnte zudem mittels der Anleite eine Vollstreckung in das Vermögen des Geächteten vollführen lassen. Die Acht wurde aufgehoben, wenn der Geächtete bereit war, sich nachträglich vor Gericht zu verantworten, wenn er sich mit dem Kläger einigte oder dessen Forderung erfüllte. Ächter wurden in Achtbücher eingetragen.

Im 15. Jahrhundert kam die Verhängung der Acht in Zivilprozessen in Abgang, nicht aber in Verfahren wegen Tötungsdelikten, wo sie noch bis in die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts ausgesprochen wurde. In diesen Verfahren verfiel das Gut des flüchtigen Angeklagten der Obrigkeit und der Leib den Verwandten des Toten. Diese durften somit den Angeklagten ungestraft umbringen, doch konnte sich der Ächter aus der Acht lösen, wenn er sich mit den Klägern durch Bezahlung eines Sühnegeldes verglich und von der öffentlichen Gewalt wieder in den Frieden aufgenommen wurde. Eine besondere Form der Acht war die Reichsacht.

Quellen und Literatur

  • L. Forrer, Das Verfahren gegen den Abwesenden im Strafprozess, 1907, 33-44
  • R. His, Das Strafrecht des dt. MA 1, 1920, 410 f. (Neudr. 1964)
  • HRG 1, 25-38
  • P. Henry, Crime, justice et société dans la Principauté de Neuchâtel au XVIIIe siècle (1707-1806), 1984, 332-337
  • M.W. Wernli, Das kaiserl. Hofgericht in Zürich, 1991, 80, 181 (mit Lit.)
Weblinks

Zitiervorschlag

Thomas Weibel: "Acht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.07.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/030197/2016-07-28/, konsultiert am 16.04.2024.