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AdolfGuyer-Zeller

1.5.1839 Neuthal (Bäretswil), 3.4.1899 Zürich, reformiert, von Bauma, ab 1868 von Bäretswil, ab 1886 von Zürich. Transatlantisch tätiger Geschäftsmann, Politiker und Eisenbahnunternehmer.

Porträt von Adolf Guyer-Zeller. Lithografie Nr. 540 von 1900 aus der Schweizerischen Portrait-Gallerie, erschienen 1888-1907 bei Orell Füssli in Zürich (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Porträt von Adolf Guyer-Zeller. Lithografie Nr. 540 von 1900 aus der Schweizerischen Portrait-Gallerie, erschienen 1888-1907 bei Orell Füssli in Zürich (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Adolf Guyer war der Sohn des Spinnereiunternehmers Johann Rudolf Guyer und der Anna Magdalena geborene Wepf. Heinrich Gujer war sein Onkel. Nach dem Besuch der Sekundarschule in Bauma und der Kantonsschule in Zürich studierte Guyer 1857-1858 Nationalökonomie und Geologie in Genf. 1869 heiratete er Anna Wilhelmina Zeller, Tochter des Unternehmers Johann Jakob Zeller und der Elisabetha Mathilde geborene Klauser. Das Paar hatte drei Kinder: Mathilde, Johann Rudolf und Gebhard Guyer.

Guyer bereiste 1857-1863 Zentren der Produktion und Verarbeitung von Baumwolle in Europa, Nord- und Südamerika, Ägypten sowie im Nahen Osten, pflegte Kontakte mit Kaufleuten und Industriellen und versuchte sich als Baumwollspekulant. 1863 trat er in die väterliche Baumwollspinnerei Neuthal ein, 1866 wurde er Teilhaber und 1874 Alleininhaber dieser Fabrik, die er laufend vergrösserte. Nach der Verlegung seines Wohn- und Geschäftssitzes nach Zürich 1869 gründete er dort ein Textilhandelsgeschäft. Ab 1871 leitete er auch die Weberei Oberkempten und war 1880-1890 Verwaltungsratspräsident der Papierfabrik an der Sihl. Seine Geschäftsbeziehungen reichten bis nach Indien. Daneben war er 1869-1872 und 1875-1889 liberaler Zürcher Kantonsrat (Freisinnig-Demokratische Partei, FDP). Während der Eisenbahnkrise der 1870er Jahre erwarb Guyer-Zeller Anteile verschiedener Bahngesellschaften. Als Hauptaktionär konnte er insbesondere auf die Schweizerische Nordostbahn (NOB) grossen Einfluss ausüben (Eisenbahnen). 1894 stürzte er Verwaltungsrat und Direktion der NOB und wurde selbst Verwaltungsratspräsident. Seine harte Haltung in der Lohnfrage führte 1897 zu einem Eisenbahnerstreik (Streiks), worauf der Bundesrat vermittelte. Auf seine Initiative hin entstanden die Uerikon-Bauma-Bahn (Eröffnung 1901) und die Jungfrau-Bahn (Eröffnung 1912; Jungfrau) sowie 1894 die Guyer-Zeller-Bank. 1888-1899 fungierte er als griechischer Generalkonsul in Zürich.

Adolf Guyer-Zeller und der Machtwechsel bei der Schweizerischen Nordostbahn (NOB). Karikatur von Johann Friedrich Boscovits aus dem Nebelspalter, 1894, Nr. 31 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern; e-periodica).
Adolf Guyer-Zeller und der Machtwechsel bei der Schweizerischen Nordostbahn (NOB). Karikatur von Johann Friedrich Boscovits aus dem Nebelspalter, 1894, Nr. 31 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern; e-periodica). […]

Guyer-Zeller äusserte sich auch zu geopolitischen Fragen mit grossem Selbstbewusstsein, indem er den europäischen Kolonialmächten Einflusssphären empfahl und strategische Eisenbahnlinien von Europa bis nach Afrika und Indien skizzierte. Seine Rede bei der Feier zum 70. Geburtstag von Otto von Bismarck 1885 in Berlin und seine Schrift Der Türkenherrschaft Ende (1897) machen deutlich, dass er die deutschen Kolonial- und Freihandelsinteressen – besonders im Kongo – befürwortete (Kolonialismus). Die Aufteilung der Welt unter die europäischen Mächte war für ihn ein erstrebenswertes Projekt mit dem Ziel, die Kolonisierten «auf eine höhere Kulturstufe zu heben». An diesem Vorhaben sollte sich auch die Schweiz mit einer eigenen Afrikanischen Gesellschaft beteiligen, die jedoch nicht realisiert wurde. Mit Sklaverei wurde Guyer-Zeller auf Plantagen in den US-Südstaaten, auf einer Auktion in New Orleans sowie auf kubanischen Zuckerplantagen konfrontiert, mit der unfreien Arbeit der Fellachen auf den Baumwollfeldern des Niltals. Seine Tagebücher zeigen, dass er mit der Einschätzung der Sklaverei rang, diese aber letztlich historisch, theologisch, rassentheoretisch (Rassismus) und vor allem ökonomisch rechtfertigte und auch verharmloste.

Adolf Guyer-Zeller zeichnete sich durch Vielseitigkeit, geschickte Geschäftsführung und eine visionäre Geisteshaltung aus. Als Unternehmer war er ein autoritärer Machtmensch, gesellschaftliche Hierarchien – zwischen Patrons und Arbeiterschaft, zwischen Plantagenbesitzern und Versklavten – galten ihm als natürlich und unveränderbar. Dabei waren ihm karitative Züge nicht fremd. Für die Textilarbeiterfamilien seiner Heimat liess er ab 1889 ein noch im 21. Jahrhundert bestehendes Wanderwegnetz erstellen.

Quellen und Literatur

  • Guyer-Zeller, Adolf: Der Türkenherrschaft Ende, 1897.
  • Guyer-Zeller, Adolf: Tagebuch über seine Reise nach Ägypten und ins Heilige Land (1862). Spiegel seiner Persönlichkeit, hg. von Armin Sierszyn, 1993.
  • Chronikarchiv der Gemeinde Bauma, Bauma.
  • Privatarchiv Wolfgang Wahl-Guyer, Wila.
  • Staatsarchiv Zürich, Zürich.
  • Winterthurer Bibliotheken, Winterthur, Nachlass Adolf Guyer-Zeller.
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF

Zitiervorschlag

Ueli Müller; Hans Fässler: "Guyer-Zeller, Adolf", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.10.2024. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/030978/2024-10-22/, konsultiert am 24.01.2025.