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Inventare

Inventare sind mehr oder weniger ausführliche Bestandesaufnahmen mit oder ohne rechtsverbindliche Wirkung, die in der Schweiz auf eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Ebene geführt werden. Neben Verzeichnissen in Archiven und Museen bezeichnet der Begriff in der Schweiz vor allem Bestandesaufnahmen von Objekten in den Bereichen Naturschutz und Heimatschutz. Inventare geben über den vorhandenen Bestand Auskunft und haben das Ziel, dessen Pflege und Schutz zu gewährleisten und zu fördern. Entsprechend der föderalistischen Staatsform der Schweiz, welche die Kulturhoheit in starkem Masse den Kantonen und Kommunen überträgt, entwickelte sich bis heute eine reiche und lebendige, aber zuweilen auch unübersichtliche «Inventarlandschaft».

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die teilweise bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der wissenschaftlichen Bestandesaufnahme von Baudenkmälern begonnen hatten, setzte diese in der Schweiz erst spät ein, nämlich mit Johann Rudolf Rahns «Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler», die ab 1872 publiziert wurde. Aus der privaten Initiative der 1880 gegründeten Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK) wuchs die umfassende, seit 1927 ununterbrochen bearbeitete und laufend weitergeführte schweizerische Kunsttopografie «Die Kunstdenkmäler der Schweiz» (bis heute über 100 Bde.). Mit seinem 1934 herausgegebenen «Kunstführer der Schweiz» legte Hans Jenny erstmals ein landesweit flächendeckendes Kurzinventar der wichtigsten schweizerischen Baudenkmäler vor.

Die Eidgenossenschaft wurde in der Inventarisation erst viel später aktiv: 1958-1967 entstand das fortwährend nachgeführte und überarbeitete «Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung», ab 1973 das noch laufende «Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz» (ISOS), ab 1984 das 2003 abgeschlossene «Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz» (IVS). Nach Vorgabe der Haager Konvention von 1954 erstellt und bearbeitet der Bund seit 1969 das «Schweizerische Inventar der Kulturgüter von nationaler und regionaler Bedeutung» (Kulturgüterschutz).

Nach einigen Vorläuferprojekten begann die Gesellschaft für schweizerische Volkskunde 1965 mit der Publikation der inventarähnlichen, aber mehr typologisch und entwicklungsgeschichtlich angelegten Reihe «Die Bauernhäuser der Schweiz» (bis 2006 28 Bde.). Gleichzeitig mit dem ISOS startete die GSK mit dem 2004 abgeschlossenen «Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920» (INSA), das in zehn Bänden eine selektive Bestandesaufnahme der lange Zeit gefährdeten Architektur der Gründerzeit bietet.

Die Inventarisation von Baudenkmälern im heute gebräuchlichen Sinn ist eng mit dem Auftrag der Denkmalpflege verknüpft. Aus diesem Grunde führen die meisten Kantone seit einigen Jahrzehnten eigene, mehrheitlich rechtsbindende Inventare unterschiedlichen Zuschnitts. Sie reichen inhaltlich von Ortsbildinventaren über Bauinventare und Hinweisinventare bis hin zu Spezialinventaren für bestimmte Kulturgütergattungen wie Burgen, Landsitze, Gärten, Industriebauten, Schulhäuser, Kinos, Theater, Brücken, Glasmalerei, Orgeln, Taufsteine, Goldschmiedekunst, Paramente, Glocken und Öfen. Die Inventarisation arbeitet heute nach einer differenzierten Methodik, welche die Erfordernisse an eine wissenschaftliche Erhebung mit oder ohne Rechtsbindung wie auch die Erwartungen eines interessierten Publikums an eine anschauliche Dokumentation erfüllen kann.

Quellen und Literatur

  • D. Eggenberger, G. Germann, Gesch. der Schweizer Kunsttopographie, 1975
  • A. Knoepfli, Ortsbild-Inventarisation, aber wie?, 1976
  • «Warum und zu welchem Ende inventarisieren und pflegen wir Kulturgut?», in ZAK 48, 1991
  • Erkenntnisgewinn oder Machtmittel?, redigiert von D. Richner, 1999
  • «Inventare in Theorie und Praxis – eine Zwischenbilanz», in Heimatschutz 95, 1, 2000
  • G. Foletti, «Il Servizio inventario», in BSSI, 2001, 219-229
Weblinks

Zitiervorschlag

Nott Caviezel: "Inventare", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.01.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/031951/2007-01-26/, konsultiert am 22.05.2025.