Der seit 1721 jährlich erscheinende Appenzeller Kalender hat seinen Ursprung im populären Genre der frühneuzeitlichen Schreibkalender (Almanache). Er verbindet den kirchlichen Festkalender (Kirchenjahr) mit astronomischen Berechnungen (Astronomie) sowie astrologischen Vorhersagen und Ratschlägen (Astrologie). Im hinteren Teil finden sich zunächst Nachrichtenmeldungen, Anekdoten und kurze naturwissenschaftliche Abhandlungen für ein breites Publikum.

Die erste Ausgabe des Kalenders wurde unter dem Namen Schreib-Calender vom Laienastronomen Johannes Tobler aus Rehetobel veröffentlicht, den Berechnungslücken in anderen Kalendern dazu bewogen hatten, einen eigenen Almanach zu produzieren. Infolge des Landhandels, der zeitweise zu einer verstärkten Zensur des Kalenders durch die Ausserrhoder Obrigkeit führte, emigrierte Tobler 1736/1737 nach Nordamerika. Er übergab die Herausgeberschaft mitsamt den von ihm bereits auf mehrere Jahre hinaus gefertigten kalendarischen Berechnungen an Pfarrer Gabriel Walser in Speicher. Walser seinerseits übertrug die Leitung 1750 an Ulrich Sturzenegger, ebenfalls Laienastronom, der ab 1745 im Nachbarort Trogen einen eigenen Kalender unter dem Titel Hauß und Bauer Schreib-Calender herausgegeben hatte. Gleichzeitig meldete sich aus Übersee Johannes Tobler mit Kalenderberechnungen für weitere Jahre; kurzzeitig ergab sich eine Zusammenarbeit.
Während rund hundert Jahren und über vier Generationen zeichnete in der Folge die Familie Sturzenegger für den Appenzeller Kalender verantwortlich. Sie richtete 1767 eine eigene Druckerei in Trogen ein, die erste in Appenzell Ausserrhoden, nachdem der Kalender zuvor in Lindau, Ulm und St. Gallen gedruckt worden war (Buchdruck). Ab der Ausgabe auf das Jahr 1764 erschienen regelmässig Holzschnitte (Druckgrafik), die zur grossen Popularität und den hohen Absatzzahlen des Almanachs weit über die Region hinaus beitrugen (1830: 50'000 Exemplare; 1910: 80'000 Exemplare; 2020: 15'000 Exemplare). Der Appenzeller Kalender popularisierte Wissen in den Bereichen Naturwissenschaft, Ethnologie, Geschichte und Zeitgeschehen. Damit erwies sich das überkonfessionell verbreitete Medium in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als wichtigstes Gefäss der Volksaufklärung (Aufklärung) in beiden Appenzell. Gleichzeitig wurden das astrologische Prognostikon sowie Berichte über übersinnliche Begebenheiten – nach wie vor Teil der frühneuzeitlichen Vorstellungswelt – als zentrale Elemente des Kalenders beibehalten. Praktischen Nutzen hatten unter anderem die Ratsherrenverzeichnisse und Markttabellen. Darüber hinaus verbreitete der Kalender ab 1805 erstmals Appenzeller Witze als eigenes Genre.

Von 1847 bis 1975 erschien der Appenzeller Kalender bei verschiedenen Medienhäusern in Trogen, anschliessend in Herisau und ab 2015 in Schwellbrunn. Markant wandelte sich nach ca. 1850 der redaktionelle Teil: Die Berichte über ferne Länder und Kulturen wurden abgelöst durch solche aus der ländlich-bäuerlichen Heimat im Sinn des Nationalismus und später der Geistigen Landesverteidigung, zudem erschien regelmässig Dialekt- und Heimatliteratur vieler bekannter Dichterinnen und Dichter. Ab den 1990er Jahren revitalisierten die Herausgeber die seit dem 19. Jahrhundert marginalisierte astrologische Praktik, unter anderem in Form von Hinweisen zum Mondkalender. Im Lauf der Zeit hat sich der Appenzeller Kalender im Kalenderhalter an der Stubenwand zu einem festen Bestandteil des kulturellen Inventars beider Appenzell entwickelt.