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Jacques-Louis dePourtalès

9.8.1722 Genf,20.3.1814 Neuenburg, reformiert, aus Lasalle, ab 1729 von Neuenburg. Kaufmann im Indiennegeschäft sowie im Kolonial- und Überseehandel, Plantagenbesitzer, Bankier und Philanthrop.

Porträts von Jacques-Louis de Pourtalès. Links: Öl auf Leinwand, Jean-Pierre Preudhomme zugeschrieben, 1766, 83 x 67 cm (Bibliothèque publique et universitaire de Neuchâtel); rechts: im Kreis seiner Familie, Öl auf Leinwand, um 1784, 81,5 x 98,5 cm (Collection Béatrice de Pourtalès, Meudon © KEYSTONE, akg-images, 304447524).
Porträts von Jacques-Louis de Pourtalès. Links: Öl auf Leinwand, Jean-Pierre Preudhomme zugeschrieben, 1766, 83 x 67 cm (Bibliothèque publique et universitaire de Neuchâtel); rechts: im Kreis seiner Familie, Öl auf Leinwand, um 1784, 81,5 x 98,5 cm (Collection Béatrice de Pourtalès, Meudon © KEYSTONE, akg-images, 304447524). […]

Jacques-Louis Pourtalès war der älteste Sohn des Jérémie Pourtalès und der Esther Marguerite Deluze, die beide aus hugenottischen Handels- und Bankiersfamilien stammten (Pourtalès, Deluze). Sein Vater, ein Kaufmann, hatte sein Heimatdorf in den Cevennen verlassen und sich zunächst in Lyon, dann Genf und schliesslich Neuenburg niedergelassen. Die Familie seiner Mutter war ebenfalls aus Frankreich geflüchtet und hatte in Neuenburg die ersten Zeugdruckereien (Indiennes) aufgebaut. 1769 heiratete er seine 30 Jahre jüngere Cousine Rose-Augustine Deluze, die Tochter seines Onkels, des Indiennefabrikanten Jean-Jacques Deluze. Das Paar hatte zwei Töchter und vier Söhne; nur Louis, James Alexandre und Frédéric de Pourtalès erreichten das Erwachsenenalter. Weil sein Vater im Ausland lebte, wuchs Jacques-Louis Pourtalès bei seinen Grosseltern mütterlicherseits auf und wurde in streng protestantischem Geist erzogen, den er zeitlebends beibehalten und an seine Nachkommen weitergeben sollte.

Mit 14 Jahren verbrachte Pourtalès zu Ausbildungzwecken einige Monate in London bei seinem Vater, Teilhaber der im Grosshandel mit Batist tätigen Firma Pourtalès, Simons et Cie. (Handel, Textilindustrie). 1736-1738 arbeitete er bei der Fuhrhalterei Faesch in Basel, bevor er als Kommis in das familieneigene Unternehmen De Luze, Chaillet et Pourtalès (Chaillet), das mit Indiennes handelte, eintrat und Firmenanteile erwarb. Seinen Geschäftssinn schärfte er ab 1744 weiter als Teilhaber der im Indienhandel und im Zeugdruck tätigen Firma De Luze, Meuron et Cie (Meuron). Mit Claude-Abram DuPasquier und Jean-Jacques Bovet, den Initianten der 1752 eröffneten Fabrique-Neuve de Cortaillod, gründete Jacques-Louis de Pourtalès 1753 die Handelsgesellschaft Pourtalès et Cie. Bald Mehrheitsaktionär, machte er seinen Bruder Paul de Pourtalès zum Teilhaber. Sein Ziel war es, die gesamte Handelskette im Indiennegeschäft zu kontrollieren: vom Einkauf der Rohware – Tuche aus England oder Indien –, über das Bedrucken der Stoffe bis zu deren Absatz auf den europäischen Messen und Märkten, die er bis ins hohe Alter regelmässig besuchte. Dazu knüpfte er unablässig an einem dichten, über Freundschafts- und Familienbande abgesicherten Handelsnetz und umgab sich mit einflussreichen, fähigen Männern, die er über Firmenanteile oder Heiratsverbindungen mit weiblichen Verwandten in seine Geschäfte einband.

Koffer aus dem Besitz von Jacques-Louis de Pourtalès, um 1750-1800, 90 x 48,5 x 26,5 cm (Musée d’art et d’histoire Neuchâtel, Inv. AA 2000.26)
Koffer aus dem Besitz von Jacques-Louis de Pourtalès, um 1750-1800, 90 x 48,5 x 26,5 cm (Musée d’art et d’histoire Neuchâtel, Inv. AA 2000.26) […]

Der unermüdliche und reisefreudige de Pourtalès hielt die Zügel fest in der Hand und schuf nach und nach ein Industrie-, Handels- und Finanzimperium, das es mit den grössten europäischen Unternehmen aufnehmen konnte und sich mit seinen Niederlassungen, Handelssitzen, Manufakturen sowie Lagerhäusern bis nach Indien, Afrika und Amerika erstreckte. Aufgrund dieses Engagements im Überseehandel stammte ein Teil seines Reichtums aus dem Kolonialhandel (Kolonialismus) sowie aus der Sklaverei. In Letztere war er sowohl direkt als auch indirekt involviert: De Pourtalès kaufte 1770 mit dem Basler Johann Jakob Thurneysen (1729-1784) Plantagen auf Grenada, auf denen er rund 350 Sklavinnen und Sklaven für den Anbau von Zucker, Kaffee, Kakao und Baumwolle beschäftigte (Verkauf 1797), und war zudem Teilhaber des im Sklavenhandel aktiven Unternehmens Romberg, Bapst et Cie. Indirekt profitierte er über Beteiligungen an weiteren im Dreieckshandel operierenden Firmen. Insgesamt ist es schwierig, den auf diese Art erworbenen Anteil an seinem Vermögen zu bestimmen, denn die Indienneindustrie war eng mit dem Sklavenhandel verbunden: 60% aller exportierten Zeugdrucke waren für den Tausch gegen versklavte Menschen bestimmt. Diese Geschäfte, die für die Mehrheit der europäischen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen kein moralisches Problem darstellten und auch nicht im Konflikt mit de Pourtalès' religiösen Überzeugungen standen, werden unterdessen kritisch gesehen. 2023 hat Neuenburg einen interaktiven Rundgang zu den kolonialen Spuren in der Stadt lanciert, der die Verbindungen gewisser Neuenburger Persönlichkeiten und Orte mit der Sklaverei oder dem Kolonialhandel aufzeigt und an mehreren Liegenschaften der Familie Pourtalès Halt macht.

Quelle: Röthlin, Niklaus: «Koloniale Erfahrungen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Die Plantagen der Firmen Thurneysen aus Basel und Pourtalès aus Neuenburg auf der westindischen Insel Grenada», in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 91, 1991, S. 146 © 2024 HLS.
Quelle: Röthlin, Niklaus: «Koloniale Erfahrungen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Die Plantagen der Firmen Thurneysen aus Basel und Pourtalès aus Neuenburg auf der westindischen Insel Grenada», in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 91, 1991, S. 146 © 2024 HLS. […]

Jacques-Louis de Pourtalès war nicht nur mit seiner Firma Pourtalès & Cie. erfolgreich (die von 1753 bis zu ihrer Liquidation 1801 sechs verschiedene Formen annahm), er setzte auch sein Privatvermögen gewinnbringend ein. Als mit den Revolutions- und Koalitionskriegen sowie der Industriellen Revolution in England das klassische Verkaufssystem mit dem Ankauf der weissen Leinwand in Indien und dem Weiterverkauf der bemalten Stoffe in Europa zusammenbrach, reagierte de Pourtalès sofort: Er diversifizierte seine Kapitalerträge, indem er zunehmend in Immobilienfonds, in Anteile an Kommandit- und andere Gesellschaften sowie in Gewerbe und Industrie, Darlehen und Aktien investierte. Bis zum Ende seines Lebens hatte der «König der Kaufleute» oder «König des Zeugdrucks», wie er genannt wurde, eine Art Handelsbank (Banken) aufgebaut, die nicht mehr dem herkömmlichen, sondern einem innovativ-modernen kapitalistischen Geschäftsmodell verpflichtet war (Kapitalismus). Nachdem de Pourtalès seinen Söhnen grosse Teile seines Reichtums vermacht und stattliche Summen für ihren Aufstieg in den europäischen Adel ausgegeben hatte, stiftete er 1808 aus Dankbarkeit für den «oft erfahrenen göttlichen Schutz» ein Spital für Arme, das noch immer seinen Namen trägt. Fleurier, Valangin, Le Locle und 1811 Les Ponts-de-Martel ernannten ihn zum Ehrenbürger. Er besass zahlreiche Anwesen wie das Stadtpalais im Faubourg de l'Hôpital, die Villa La Petite Rochette und das Hôtel DuPeyrou in der Stadt Neuenburg, ein Landhaus in der Nähe von Areuse, die ehemalige Kartause La Lance, ein Stadtpalais an der Rue de Richelieu in Paris sowie das in den Cevennen gelegene Schloss Malérargues. 1802 kaufte Jacques-Louis de Pourtalès die böhmische Herrschaft Tloskau, wodurch er 1811 den österreichischen Ritterstand erlangte.

Vue de l'hôpital neuf fondé à Neuchâtel par monsieur Jacques Louis de Pourtalès en MDCCCVIII. Radierung von Alexandre Girardet, um 1808, 21,4 x 27,9 cm (Musée d’art et d’histoire Neuchâtel, Inv. H 3444).
Vue de l'hôpital neuf fondé à Neuchâtel par monsieur Jacques Louis de Pourtalès en MDCCCVIII. Radierung von Alexandre Girardet, um 1808, 21,4 x 27,9 cm (Musée d’art et d’histoire Neuchâtel, Inv. H 3444). […]

Quellen und Literatur

Weblinks
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VIAF

Zitiervorschlag

Myriam Volorio Perriard: "Pourtalès, Jacques-Louis de", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.02.2025, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/041303/2025-02-27/, konsultiert am 20.03.2025.