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Diesbach-Watt-Gesellschaft

Im ausgehenden Mittelalter gehörte die nördlich der Alpen gelegene Schweiz zum grossen süddeutschen Wirtschaftsraum, der seit dem 14. Jahrhundert einen deutlichen Aufschwung erlebte. In diesem Umfeld entstanden international tätige Handelsgesellschaften, deren bedeutendste die Ravensburger Gesellschaft war. Unter den zahlreichen schweizerischen Handelsgesellschaften war ihr die 1420-1460 in den Quellen belegte Diesbach-Watt-Gesellschaft am ähnlichsten. Deren Initiant war der Berner Niklaus von Diesbach (um 1375/1380-um 1436). Seine wichtigsten Geschäftspartner waren Peter und Hug von Watt, zwei ebenfalls erfolgreiche, wenn auch weniger vermögende Kaufleute aus dem Leinwandzentrum St. Gallen, mit einem grossen Kundennetz im Nordosten Europas.

Niklaus von Diesbach und die Gebrüder von Watt schlossen sich zu einer «multinationalen» Handelsgesellschaft zusammen. Ihr Hauptsitz befand sich bis Ende der 1440er Jahre in Bern. Mit der Leinwand lieferte St. Gallen jedoch von Anfang an das wichtigste Handelsprodukt. Überhaupt lag das Geschäft mit Textilien im Zentrum der Aktivitäten. Man setzte Leinwand in Genf, Südfrankreich und Spanien ab, gleichzeitig auch Zwilch in Breslau und Krakau. In den deutschen Weberstädten Ulm, Augsburg, Memmingen und Biberach kaufte die Gesellschaft Barchent, den sie nach Schlesien und Polen lieferte. Aus Oberdeutschland exportierte sie Filzhüte nach Barcelona. Sie beteiligte sich auch am Wolltuchhandel aus England, Brabant, Niederdeutschland und dem Rheinland in den ostdeutschen und polnischen Raum hinein. Im Gegenzug bezog die Diesbach-Watt-Gesellschaft aus Schlesien und Polen Wachs und Pelze. Auf den Märkten von Warschau, Krakau, Breslau und Posen erstand die Diesbach-Watt-Gesellschaft Marder-, Eichhörnchen-, Kaninchen-, Nerz- und Hermelinfelle, welche sie hauptsächlich in die oberdeutschen Städte lieferte. Sie versuchte sich auch auf dem Gebiet des Handels mit polnischem Schlachtvieh nach Deutschland. Zu ihrem Warensortiment zählten ferner Leichtmetallwaren, insbesondere Messing aus Nürnberg sowie Kupfer aus den Bergstädten Oberungarns, Produkte, die man nach Osteuropa, Italien und Spanien lieferte. Wolltuch aus Como sowie Damast und Samt italienischer Provenienz fanden in Krakau Absatz. Golddraht und Lasur wurden über Barcelona nach Katalonien und Aragonien transportiert. Umgekehrt bezog man in Spanien hauptsächlich Safran und weitere mediterrane Produkte wie Baumwolle, Korallen, Datteln, Zucker, Konfitüre, Malvasier, Rosenlikör, Nelken, Ingwer, Kümmel, Muskat, Zimt, Pfeffer, Weihrauch, Indigo und Salmiak.

Das Handelsnetz der Diesbach-Watt-Gesellschaft
Das Handelsnetz der Diesbach-Watt-Gesellschaft […]

Bemerkenswert an der Diesbach-Watt-Gesellschaft war nicht so sehr das gehandelte Warensortiment, das jenem anderer Handelshäuser entsprach, sondern die geografische Ausdehnung ihrer Aktivitäten. Der grosse Geschäftskreis verlangte ein gut funktionierendes Kommunikationsnetz, gezielt angelegte Niederlassungen, Anpassungen der Geschäftsstrategie und neue Teilhaber mit frischem Kapital in Bern, St. Gallen und Nürnberg. Ihre grösste Blüte erlebte die Diesbach-Watt-Gesellschaft in den 1440er Jahren. Nach 1445 beklagte sie immer mehr Verluste, wofür die kriegerischen Ereignisse im eidgenössischen und süddeutschen Raum verantwortlich gemacht wurden. Zwistigkeiten unter den Teilhabern wirkten sich zudem lähmend auf die Betriebsleitung aus. Nach dem schlechten Geschäftsgang um das Jahr 1460 löste sich die Diesbach-Watt-Gesellschaft, die mindestens drei Jahrzehnte lang tätig gewesen war, auf.

Quellen und Literatur

  • H. Ammann, Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, 1928
  • M. Körner, «Die Diesbach-Watt-Handelsges. um 1420 bis 1460», in Die schweiz. Wirtschaft, 1291-1991, hg. von R. Cicurel, 1991, 28-33
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Körner: "Diesbach-Watt-Gesellschaft", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 18.08.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/041649/2011-08-18/, konsultiert am 16.04.2024.