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Volkstage

Dieser Begriff bezeichnet die Versammlungen, die nach der französischen Julirevolution 1830 in mehreren Kantonen stattfanden und die Regeneration einleiteten. Die Träger dieser von den Zeitgenossen auch als "Landsgemeinden" bezeichneten Zusammenkünfte wollten gewaltlos die Restaurationsverfassungen revidieren, namentlich die Repräsentationsverhältnisse in den Parlamenten durch Abschaffung von Zensus und Kooptation gerechter gestalten. In den Stadtkantonen richteten sich die Volkstage besonders gegen die Übervertretung der Hauptstädte in den kantonalen Legislativen. Vom Gedanken der Volkssouveränität ausgehend erkannten die Reformer indessen, dass ein Initiativrecht des Volkes nirgends bestand, ja nur wenige Kantone überhaupt die Möglichkeit einer Verfassungsrevision (Kantonsverfassungen) vorsahen und deren Verfahren regelten. So riefen sie nach Besprechungen in Vertrauensmännerversammlungen und Artikulierung in Flugschriften und Zeitungsartikeln zu Volkstagen auf der Landschaft auf, die "in unerwartet ruhiger Haltung mit Anstand und vollkommener Ordnung" – so ein Bericht aus Wohlenschwil – stattfanden. Die Regierungen gaben den hierauf in Eingaben formulierten Vorschlägen unterschiedlich rasch nach. Im Aargau und im Kanton St. Gallen kam es noch zu revolutionsartigen Zügen in die Hauptstadt, die aber ebenso gewaltlos verliefen wie Aufläufe in Kantonen ohne Volkstage (Freiburg, Waadt). Eine landesweite Krise durch Lähmung des Vororts blieb aus, da auf Anfang 1831 turnusgemäss Luzern, das die Verfassungsrevision bereits eingeleitet hatte, diese Funktion von Bern übernahm, dessen Volkstag erst noch bevorstand.

Volkstage in den Kantonen

KantonOrtDatumFührende Politiker
ThurgauWeinfelden22.10.1830Thomas Bornhauser
 Weinfelden18.11.1830 
AargauWohlenschwil7.11.1830Karl Rudolf Tanner, Johann Martin Geissmann
LuzernSursee21.11.1830Josef Leu von Ebersol, Jakob Robert Steiger
ZürichUster22.11.1830Heinrich Gujer, Johannes Hegetschweiler, Johann Jakob Steffan
St. GallenWattwil4.12.1830Ignaz Bernet
 Altstätten5.12.1830Joseph Eichmüller, Gallus Jakob Baumgartner
 St. Gallenkappel10.12. 1830Lorenz A. Raymann, Johann Josef Kägi, Franz Josef Ricklin
SolothurnBalsthal22.12.1830Josef Munzinger
BernMünsingen10.1.1831Karl Schnell, Johann Schnell
Volkstage in den Kantonen -  Autor

Quellen und Literatur

  • K. Müller von Friedberg, Schweiz. Annalen oder die Geschichte unserer Tage seit dem Julius 1830, 1832-42
  • A. Kölz, Neuere schweiz. Verfassungsgeschichte, 1992
  • M. Schaffner, «Direkte Demokratie», in Eine kleine Geschichte der Schweiz, hg. von M. Hettling et al., 1998, 189-226
Weblinks

Zitiervorschlag

Bruno Schmid: "Volkstage", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.04.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/041665/2015-04-22/, konsultiert am 14.12.2024.