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Bahnhöfe

Der französische Bahnhof in Basel, Gemälde signiert mit G.L., 1847 (Historisches Museum Basel).
Der französische Bahnhof in Basel, Gemälde signiert mit G.L., 1847 (Historisches Museum Basel). […]

Bahnhöfe dienen den Eisenbahnen als Umschlags- und Versorgungsorte. Sie setzten ursprünglich die Bautradition der Posthöfe als für alle Umschlagnutzungen integrierte Anlagen fort: Die frühen Bahn-Höfe umfassten Bauten für den Personen- und den Güterverkehr sowie für den Unterhalt und die Remisierung von Wagen und Lokomotiven (inklusive Werkstätten, Wassertürme und Bekohlungsanlagen). Baulich gehören zu den Personenbahnhofanlagen die Empfangs- und Abfertigungsräume für Reisende (inklusive Wartsäle, Toiletten und Kiosk), für den Witterungsschutz die Bahnhofhallen und Perrondächer. Der diszplinierenden Abfertigung von Reisenden mittels Bahnsteig-, Fahrkarten- und Zugführerkontrollen wurde ursprünglich ebenso hohe Bedeutung beigemessen wie ihrem feierlichen Empfang in grosszügigen Hallen, Wartsälen und Bahnhofrestaurants, die oft mit Bildern lokaler touristischer Sehenswürdigkeiten geschmückt waren.

Als erster Ort der Schweiz erhielt Basel 1844 mit dem Französischen Bahnhof als Endpunkt der internationalen Linie Strassburg-Saint-Louis-Basel einen Bahnhof. Nach der Eröffnung der Bahnhöfe von Zürich und Baden 1847 an der "Spanischbrötli-Bahn" entstanden weitere Stationen entlang dem Stammnetz der wichtigsten Eisenbahngesellschaften. 1857 besassen nebst Lausanne (1856) an der Strecke Morges-Yverdon der Compagnie de l'Ouest-Suisse, Langenthal und Burgdorf an der Strecke Olten-Bern der Schweizerischen Centralbahn (1857) die durch das Netz der Vereinigten Schweizerbahnen (VSB) sowie der Schweizerischen Nordostbahn (NOB) verbundenen Zentren der Ostschweiz ihren Bahnhof (z.B. Winterthur 1855, St. Gallen 1856). Bis 1864 folgten die übrigen Städte der Alpennordseite (Genf 1858, Aarau, Luzern und Neuenburg 1859, Bern und Glarus 1860, Zug und Biel 1864). Erst mit dem zweiten Schub des Eisenbahnbaus wurden 1874 die Bahnhöfe Bellinzona, Locarno und Lugano eröffnet. In den 1880er Jahren folgten Schwyz und Altdorf (UR) sowie 1897 Arth-Goldau. Die jungen Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) bauten neue Personenbahnhöfe mit grosszügigen Eisenskelett-Bahnhofhallen in Basel (bis 1907), St. Gallen (bis 1913) und Lausanne (bis 1916). Nach 1918 erfolgten unter anderem die Verlegung der Bahnhöfe Biel und Thun (bis 1923), die Tieferlegung der linksufrigen Zürichseebahn (mit neuen Bahnhöfen Wiedikon und Enge) und der Neubau in Genf (1934). Die Modernisierung der Bahnhöfe nach dem Zweiten Weltkrieg fällt in den Abschnitt der zeitgenössischen Baukunst. Zürich-Stadelhofen und Luzern II (1990-1991) wurden für ihre Architektur mit Preisen ausgezeichnet.

Im 19. Jahrhundert wurden Bahnhöfe meist ausserhalb bestehender Dorf- und Stadtstrukturen gebaut. Die Reisenden gingen zu Fuss, fuhren per Kutsche, später per Tram zum Bahnhof. Durch das Schleifen der Stadtmauern und der damit verbundenen Ausdehnung der Siedlungsfläche kamen die Bahnhöfe gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer näher bei den Stadtzentren zu liegen. Die neuen Stadt-Bahnhöfe wurden in den Rang von öffentlichen Gebäuden erhoben, die für ihre Eisenbahngesellschaften warben. Der Bahnhofsvorplatz entwickelte sich zur Visitenkarte eines Ortes, und an der zum Bahnhof führenden Strasse entstanden Hotels, Wohn- und Geschäftshäuser. Die Bahnhöfe bestimmten die Ausrichtung des städtischen Wachstums, was oft eine radikale Umgestaltung der Stadtstruktur nach sich zog. Auf dem Land wurden Bahnhöfe zu Symbolen für den Anschluss an die Welt.

Im 20. Jahrhundert entwickelten sich die Bahnhöfe zunehmend auch zu sozialen und wirtschaftlichen Zentren. Vor den Bahnhöfen entstanden Geschäftsgebäude auf teuer gewordenen Grundstücken, dahinter konzentrierten sich Lager-, Gewerbe- und Industriebetriebe, vermischt mit hoch verdichteten Arbeiterwohnungen ("Mietskasernen"). Die Lage der Bahnhofsanlagen und Bahnviadukte wurde städtebaulich dominierend, förderte oder behinderte die Siedlungsentwicklung und innerstädtische Verbindungen. Seit den 1960er Jahren, vor allem aber seit den 1990er Jahren wurden grössere Bahnhöfe verstärkt kommerzialisiert und bahnfremden Nutzungen (z.T. unterirdische Geschäftsläden, Werbung, Autoparking) zugänglich gemacht. Gleichzeitig wurden im Zuge der Rationalisierung bei kleineren Bahnhöfen die Güterabfertigung und Schalterbedienung reduziert, eingestellt oder auf Automaten umgestellt. Ausschliesslich dem Güterverkehr dienende Güter-, Werk-, Hafen- und Rangierbahnhöfe wurden in jüngerer Vergangenheit durch neue Bahnhofsormen des kombinierten Schienen-Strassenverkehrs ergänzt (Container-Terminals).

Architektonisch sind die Bahnhöfe oft die ältesten bedeutenden Zeugen des frühen Eisenbahnwesens. Die Funktion der Bahnhöfe blieb über die Jahre gleich, es entwickelten sich spezifische Architekturnormen und die Bahnunternehmungen liessen Normalien für Bautypen erarbeiten. Personenbahnhöfe können so nach Form (Keil-, Insel-, Hochbahnhof) oder nach Grössenordnungen unterschieden werden. Zu den kleinsten Bautypen gehören Wartehäuschen, Wärter- oder Güterstationen. Am weitesten verbreitet sind Landstationen mit Wohnung, Dienst-, Gepäck-, Schalter- und Warteräumen in zweigeschossigen, meist traufständigen Satteldachgebäuden, die oft gemauert, seltener in Chalet- und Regionalformen erstellt wurden. Stadt- und grosse Grenzbahnhöfe haben neben der Centralbahn und der Gotthardbahn (Luzern I, Bellinzona, Lugano, Locarno) die NOB (Zürich mit Triumphbogen und Thermenhalle) vollendet.

Quellen und Literatur

  • Arias, Winterthur (Bahnhofinventar)
  • SBB Historic
  • ISOS, 1981-
  • INSA
  • W. Stutz, Bahnhöfe der Schweiz, 1983
  • L. Dosch, Die Bauten der Rhät. Bahn, 1984
  • H.P. Bärtschi, «Hist. Bahnhöfe der SBB», in Revue Schweiz 59, 1986, H. 2, 1-48
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans-Peter Bärtschi: "Bahnhöfe", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.01.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/041756/2015-01-29/, konsultiert am 01.12.2024.