In der Maschinenindustrie tätiger Konzern mit Sitz in Zürich-Oerlikon, der sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer zentralen Firmengruppe im militärisch-industriellen Komplex der Schweizer Wirtschaft entwickelte (Waffenproduktion und Waffenhandel).
Die Schweizerische Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (SWO) wurde 1906 im Zuge der Reorganisation der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) gegründet. Ihr war zunächst jedoch wenig Erfolg beschieden: Beschäftigte die Fabrik 1915 300 Personen, waren es 1923 noch 140. 1924 wurde sie mit deutschen Geldern für die verdeckte Aufrüstung der Weimarer Republik aufgekauft und richtete als Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO) ihre Produktion unter dem neuen Direktor Emil Georg Bührle auf Flugabwehrkanonen aus. Bührle erwarb 1924 nach dem Konkurs der Firma Seebacher Maschinenbau AG (Semag) die Rechte und Patente an der deutschen Becker-Kanone, die seit 1919 in der Schweiz gemeldet waren, und liess auf dieser Grundlage die 20-mm-Oerlikon-Kanone entwickeln. Fortan wuchs die WO stetig: 1930 beschäftigte sie 300 Fabrikarbeiter und Angestellte, 1936 waren es bereits 800; ab 1926 exportierte sie in zahlreiche europäische und überseeische Länder. Bührle, ab 1929 Hauptaktionär der WO, übernahm 1938 die alleinige Steuerung des Unternehmens und überführte es in die Kommanditgesellschaft Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co. Auch beteiligte er sich am Aufbau der 1936 gegründeten Studiengesellschaft für artilleristische Fliegerabwehr Contraves und war 1939 Mitgründer der Pilatus Flugzeugwerke. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs arbeiteten 2500 Personen in den Werken der WO, 1940 waren es bereits über 3500. Damit übertraf die WO nunmehr die grössten Zürcher Maschinenindustrieunternehmen wie die MFO oder Escher, Wyss & Cie.
Das Unternehmen lieferte automatische Maschinenkanonen etwa an China, Mexiko, Frankreich und die Niederlande. Ab Juni 1940 richtete es seine Exporte auf Ersuchen des Bundesrats vorrangig auf das nationalsozialistische Deutschland und die Achsenmächte aus. Mit Exporten im Gesamtwert von 543 Mio. Franken zeichnete die WO während des Kriegs für mehr als 85% aller Schweizer Waffenlieferungen an das Dritte Reich und seine Verbündeten verantwortlich, obwohl diese Lieferungen gegen die Haager Konvention von 1907 verstiessen. Ab 1941 setzten die Vereinigten Staaten und Grossbritannien die WO auf die schwarze Liste und weigerten sich, Lizenzgebühren für die insgesamt 185'000 Oerlikon-Kanonen zu entrichten, die sie für ihre eigene Rüstung produzierten.
Nicht zuletzt als Folge des rasanten Firmenwachstums ereigneten sich in den Betrieben der WO, darunter den überlasteten Munitionswerkstätten, wiederholt tödliche Unfälle. Die Unzufriedenheit der Belegschaft entlud sich im Oktober 1940 im grössten Streik, den die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs erlebte, was Bührle zum Ausbau der sozialen Massnahmen in seinem Unternehmen bewog. Mit den Firmengewinnen diversifizierte er ausserdem seine Produktion durch Anteile im Bereich der Elektrotechnik und übernahm Textilfirmen, bedeutende Zürcher Immobilien und Hotelleriebetriebe sowie landwirtschaftliche Grundstücke im Tessin; in Liechtenstein baute er mehrere Industrieunternehmen wie die Gerätebauanstalt Balzers (ab 1995 Balzers und Leybold) auf. Trotz dieser Bemühungen blieb die Rüstungsindustrie das Kerngeschäft der WO.
Gesamtumsatz und Waffenumsatz der Oerlikon-Bührle, 1930–1953
Jahr | Gesamtumsatz | Umsatz mit Waffen | ||
---|---|---|---|---|
Mio. Franken | Anteil (%) | Export, Mio. Franken | Inland, Mio. Franken | |
1930 | 5,9 | 58 | 3,4 | 0,0 |
1931 | 4,1 | 75 | 3,1 | 0,0 |
1932 | 3,1 | 39 | 1,2 | 0,0 |
1933 | 4,0 | 64 | 2,6 | 0,0 |
1934 | 4,7 | 84 | 4,0 | 0,0 |
1935 | 3,3 | 66 | 2,2 | 0,0 |
1936 | ... | ... | ... | ... |
1937 | 13,6 | ... | 13,6 | 0,0 |
1938 | 37,4 | 94 | 34,7 | 0,5 |
1939 | 54,7 | 74 | 38,8 | 1,8 |
1940 | 92,8 | 69 | 55,1 | 9,3 |
1941 | 177,7 | 78 | 125,0 | 14,2 |
1942 | 149,7 | 120 | 178,5 | 1,6 |
1943 | 178,5 | 69 | 117,6 | 4,7 |
1944 | 113,7 | 126 | 143,4 | 0,3 |
1945 | 40,2 | 104 | 29,1 | 12,7 |
1946 | 15,6 | 49 | 0,0 | 7,6 |
1947 | 22,4 | 8 | 0,0 | 1,8 |
1948 | 32,9 | 16 | 5,2 | 0,0 |
1949 | 34,4 | 7 | 2,1 | 0,4 |
1950 | 42,7 | 12 | 5,2 | 0,0 |
1951 | 55,3 | 23 | 10,2 | 2,3 |
1952 | 107,1 | 44 | 41,6 | 5,6 |
1953 | 163,2 | 53 | 72,9 | 12,8 |
1954 | 134,9 | ... | ... | ... |
1955 | 65,4 | ... | ... | ... |
Ab 1944 brachen mit dem Wegfall der Exporte ins Dritte Reich die Geschäfte der WO ein. Bis 1946 stand sie zudem auf der schwarzen Liste der Alliierten und für die Jahre 1946-1949 verfügte der Bundesrat ein Kriegsmaterialausfuhrverbot. Mit Beginn des Koreakriegs erfolgte erneut ein rascher Aufschwung, als die amerikanischen Streitkräfte in grossem Umfang Luft-Boden-Raketen bestellten; wichtige Aufträge folgten auch vom Bund und von neuen Nationen im globalen Süden, die im Zuge der Dekolonisation entstanden waren. Als Emil Georg Bührle im November 1956 starb, beschäftigte die WO mehr als 6500 Personen, wovon über zwei Drittel in der Waffenproduktion (WO und Contraves) sowie in den Pilatus Flugzeugwerken arbeiteten. Die Gruppe besass Filialen in Italien und Schweden und hielt Beteiligungen an der Sprengstoffherstellung in der Bundesrepublik Deutschland. Der Versuch, eine Niederlassung in den USA aufzubauen, scheiterte jedoch an den Vorbehalten der amerikanischen Regierung.
Dieter Bührle folgte seinem Vater an der Spitze des Familienunternehmens nach und baute die Geschäfte weiter aus. 1970 wurde er wegen illegalen Waffenausfuhren nach Südafrika 1963 sowie Nigeria 1967 zu einer bedingten Gefängnisstrafe und einer Busse verurteilt; gegen beide Länder hatten die Vereinten Nationen (UNO) Embargos verhängt und der Bund Ausfuhrverbote erlassen. Als Marktführerin der Schweizer Rüstungsindustrie übernahm Oerlikon-Bührle im gleichen Jahr den Bereich Waffenherstellung ihrer Genfer Konkurrentin Hispano Suiza. Seit den 1960er Jahren versuchte die Firma überdies, ihre Produktion auf zivilem Gebiet auszuweiten. 1973 wurden die verschiedenen Gesellschaften zur Holding Oerlikon-Bührle zusammengefasst, zu der auch die 1949 gegründete private Ihag Industrie- und Handelsbank Zürich sowie später die liechtensteinische Balzers AG und der Schuhhersteller Bally gehörten.
Mit 37'000 Beschäftigten in der Schweiz und im Ausland erreichte der Personalbestand der Oerlikon-Bührle-Gruppe 1980 seinen Höchstwert. Das Ende des Kalten Kriegs und Schwierigkeiten der Contraves bei der Entwicklung des Fliegerabwehrsystems Adats (Air Defense Anti Tank System) sorgten dann jedoch für grosse Verluste. Nach Auseinandersetzungen über die Führung des Unternehmens verliess Dieter Bührle 1990 die Konzernleitung, die seine Schwester Hortense Anda-Bührle übernahm. 1999 trennte sich Oerlikon-Bührle vom Rüstungsbereich (der an die deutsche Rheinmetall Air Defence ging), von der Luft- und Raumfahrt (die der Schweizer Rüstungsbetrieb Ruag Holding übernahm), von Bally sowie vom Immobiliengeschäft. 2000 verkaufte sie auch die Pilatus Flugzeugwerke, um sich fortan unter dem Namen Unaxis auf die Spitzentechnologie zu konzentrieren. 2000-2009 hielt sie die Mehrheitsbeteiligung am Halbleiterhersteller Esec und 2007-2012 gehörte ihr Saurer. Auf die Veräusserung der Firmenanteile der Familie Bührle 2005 folgten 2006 juristische Streitigkeiten um den Namenswechsel zu OC Oerlikon Corporation AG sowie eine öffentliche Kontroverse um die Übernahme des Unternehmens durch ausländische Investoren über die österreichische Victory Industriebeteiligung AG. Ab 2012 übernahm die Familie erneut die Kontrolle über die Pilatuswerke.