24.10.1734 (wahrscheinlich nach gregorianischem Kalender) Sennwald, 24.6.1782 Glarus, reformiert, von Sennwald. Dienstmagd, als letzte «Hexe» der Schweiz (und Westeuropas) mit dem Schwert hingerichtet.
Anna Göldi war das vierte von acht Kindern des Adrian Göldi und der Rosa Bühler; sie blieb ledig. Ab dem 18. Lebensjahr arbeitete sie als Magd, so 1762-1765 im Pfarrhaus von Sennwald, 1768-1775/1776 im Zwickyhaus in Mollis und von September 1780 bis Ende Oktober 1781 im Haus des Arztes und Fünferrichters Johann Jakob Tschudi in Glarus. Sie wurde in Sennwald von Jakob Roduner und in Mollis vom Sohn des Hauses, Johann Melchior Zwicky, schwanger; das erste Kind erstickte, das zweite wurde in Strassburg geboren.
Nachdem Ende Oktober 1781 in der Milch der achtjährigen Tochter der Familie Tschudi, Anna Maria (genannt Anne Miggeli), innerhalb von fünf Tagen angeblich neun Stecknadeln gefunden worden waren, wurde die Magd am 5. November 1781 (nach gregorianischem Kalender, wie auch alle weiteren Daten) fristlos entlassen; sie begab sich am 9. November zu einer Schwester nach Sax. Anna Maria soll am 18. Tag nach der Entlassung der Magd begonnen haben, Stecknadeln, Eisennägel und Drahtstücklein zu speien, bis Weihnachten rund 100 Stück; der Evangelische Rat des Kantons Glarus setzte deshalb – nach längerem Tauziehen um die Zuständigkeit mit dem Katholischen Rat – am 9. Februar 1782 eine Belohnung auf Göldis Kopf aus und liess ihr Signalement in den Zeitungen veröffentlichen. Göldi wurde am 2. März 1782 in Degersheim, wo sie bei einem Wirt im Dienst stand, verhaftet. Anna Maria erbrach zwar keine Stecknadeln mehr, hatte aber weiterhin «gichterische Anfälle», und insbesondere hatte sich ihr linker Fuss zusammengezogen, sodass sie nicht mehr gehen konnte. Zwischen dem 21. und dem 29. März 1782 gelang es der Magd, das Kind zu heilen, was ihr erst recht den Ruf einer «Hexe» eintrug, eine Bezeichnung, die allerdings von der Obrigkeit bis auf eine Ausnahme tunlichst vermieden wurde. Obwohl der Landweibel Göldi für die Heilung mehrmals eine mildere Behandlung in Aussicht gestellt hatte, wurde ihr Prozess am 1. April 1782 begonnen. Bereits bei ihrem ersten gütlichen Verhör gab sie zu, dass sie die Stecknadeln in die Milch des Kindes gelegt habe. Da dieses aber die Stecknadeln in der Milch nicht geschluckt hatte, konnte das spätere Stecknadelnspeien dadurch nicht erklärt werden. Im zweiten gütlichen Verhör einen Tag später gestand Göldi, dass sie die Nadeln, die Eisennägel und Drahtstücke dem Kind eingegeben hätte, und zwar an der Kirchweihe 1781 in der Form eines Leckerlis, das sie vom Schlosser Rudolf Steinmüller bekommen hätte. Diese Geschichte, die das Kind zu Beginn des Prozesses zum Besten gegeben hatte, stammte möglicherweise von seinem Onkel, dem Schützenmeister Balthasar Tschudi. Göldi zögerte lange, Steinmüller zu denunzieren, und wich vorerst auf den Teufel aus, der ihr das Leckerli in Gestalt einer Katze gebracht habe. Im Lauf des Prozesses, auch während der Folterverhöre, schwankte sie zwischen diesen beiden Versionen. Dagegen bestritt sie in einem Sonderverhör vom 3. April 1782, von Johann Jakob Tschudi geschwängert worden zu sein; dieser liess sich denn auch am 11. Juni einen «Legitimationsschein» darüber ausstellen. Steinmüller, der am 9. April 1782 als Mittäter verhaftet worden war, leistete mehr Widerstand und nahm sich schliesslich in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai 1782 im Gefängnis das Leben; seine Leiche wurde am 27. Mai als «Vergifter» unter dem Galgen verscharrt. Göldi wurde am 17. Juni 1782 als «Vergifterin» zum Tod durch das Schwert verurteilt und am 24. Juni hingerichtet. Nachdem in den letzten Verhören auch noch ihre beiden Schwangerschaften zum Vorschein gekommen waren, diejenige von Johann Melchior Zwicky wahrscheinlich auf Betreiben von Johann Jakob Tschudi, wurde Zwicky zu einer Busse von 200 Kronentalern verurteilt, und Steinmüllers Witwe, die 71-jährige Dorothea Trümpy, zu einer solchen von 100 Kronentalern, weil sie ihrem Mann einen aufrührerischen Brief ins Gefängnis geschickt hatte.
Die Akten des Göldi-Prozesses gelangten in die Hände von zwei deutschen Journalisten. Wilhelm Ludwig Weckherlin (oder Wekhrlin) verdächtigte im Oktober 1782 in seinen Chronologen das Kind Anna Maria und dessen Vater; Heinrich Ludwig Lehmann gab 1783 zwei Hefte mit fingierten Briefen und Quellenstücken heraus. Lehmann tat zwar so, als ob er sich auf die Seite der Glarner Obrigkeit schlage, machte sich aber über diese lustig. Er hatte im Herbst 1782 in Glarus grosse Teile der Prozessakten vom Landschreiber Johann Melchior Kubli erhalten. Im Januar 1783 prägte August Ludwig Schlözer, Staatsrechtsprofessor an der Universität Göttingen, eigens für den Fall der Göldi den Begriff des «Justizmords». Vermutlich am 13. Dezember 1783 wurde Weckherlins Schrift in Glarus wegen Respektlosigkeit verbrannt, vielleicht zusammen mit einem Schattenriss von ihm, den er selber im August 1783 – zum Mitverbrennen – nach Glarus geschickt hatte. Damit machten sich die Glarner in den Augen der aufgeklärten Bildungseliten einmal mehr lächerlich.
Der Göldi-Prozess wirkt weniger «aus der Zeit gefallen», wenn man ihn mit anderen Fällen aus dem 18. Jahrhundert vergleicht. Bei den Angeklagten handelte es sich fast immer um Frauen und Mägde, die nicht selten von ihren Dienstherren sexuell missbraucht worden waren und deshalb in ungewollte Schwangerschaften gerieten, bei denen der Kindsmord nahe lag. Diese «späten» und «letzten» Hexenprozesse spielten sich häufig in Klein- und Kleinst-Territorien im Süden und Westen des Heiligen Römischen Reichs sowie in der Eidgenossenschaft ab, die sich seit Ende des 15. Jahrhunderts vom Reich emanzipiert hatte und deshalb weder die korrigierenden Elemente des Reichskammergerichts noch die Aktenversendung kannte; im Reich mussten die Akten der Hexenprozesse nämlich vor der Anwendung der Folter und vor dem Todesurteil etwa an eine Universität gesandt werden, welche die Aussagekraft der vorgelegten Beweise prüfte. Dazu kam, dass der Kanton Glarus juristisch-konfessionell zersplittert war und über nur wenig Erfahrung in der Hexenverfolgung verfügte, sodass das Verfahren die Behörden in jeder Beziehung überforderte. Zu diesen letzten Hexenprozessen gehörte auch, dass die Dinge nicht mehr beim Namen genannt und die Verurteilten nicht mehr lebendig auf dem Scheiterhaufen hingerichtet wurden. Einzigartig machte den Fall Göldi das Aufeinanderprallen der zwei Welten der Sattelzeit, einerseits die Welt des Ancien Regime mit seinen von Hand geschriebenen, mehr oder weniger geheimen Akten, andererseits die Welt des mehrheitlich ausländischen, insbesondere deutschen aufgeklärten Journalismus mit seinen gedruckten Texten (Presse, Aufklärung). Da Letztere aber – weil gedruckt – viel leichter zugänglich waren, wurde der Fall Göldi vor allem auf deren Grundlage rekonstruiert, wobei viele dieser Darstellungen jegliche Quellenkritik vermissen lassen. Später trugen insbesondere auch die emotionalisierenden literarischen Aufarbeitungen dazu bei, dass die eigentliche historische Überlieferung – die Prozessakten – in den Hintergrund rückte und sich Dichtung und Ergebnisse der historischen Forschung vermengten.
Der Erste, der sich des Falls Göldi angenommen hat, war Joachim Heer. Der von ihm verfasste gründliche Aufsatz, publiziert 1865 im ersten Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus, ist als erste Rehabilitation von Göldi zu betrachten; doch scheint Heer nicht alle Akten gekannt zu haben. Kritische Auseinandersetzungen mit den Thesen der deutschen Journalisten verfassten Jakob Winteler (1951) und Elisabeth Korrodi-Aebli (1996). Inzwischen hatte die literarische Auseinandersetzung mit der Erzählung Anna Göldi. Die Geschichte der letzten Hexe (1945) von Kaspar Freuler, die 1976 auch als Hörspiel gesendet wurde, eingesetzt. Grosse Bekanntheit erlangte der feministische Roman Anna Göldin. Letzte Hexe (1982) von Eveline Hasler, der 1991 von Gertrud Pinkus verfilmt wurde. Nach dem Erscheinen der Studie Der Justizmord an Anna Göldi (2007) von Walter Hauser rehabilierte der Glarner Landrat am 27. August 2008 Anna Göldi moralisch und juristisch. Die 2007 gegründete Anna-Göldi-Stiftung verleiht seit 2009 den Anna-Göldi-Menschenrechtspreis und betreibt das 2017 im Hänggiturm in Ennenda eingerichtete Museum. 2019 widmete der Historische Verein des Kantons Glarus sein Jahrbuch dem Fall Göldi.