Autorin/Autor:
Anne-Marie Dubler
Miete bedeutete ursprünglich sowohl "Lohn für Leistung" wie vor allem "Gabe zur Bestechung". In diesem Sinn galt in Beamteneiden bis ins 19. Jahrhundert das Verbot, "Miet und Gab" (Bestechungsgeschenke) anzunehmen. Negative Wortbedeutungen überwogen: zum Teil Miete für Pensionen fremder Fürsten, Mietling (eigentlich Lohnarbeiter) mit dem Nebensinn der Unzuverlässigkeit. Den heutigen Sinn erhielt der Begriff Miete im deutschschweizerisch-süddeutschen Raum erst im 18. Jahrhundert.
Im heutigen Recht ist die Miete ein Schuldvertrag zwischen zwei Parteien: Der Vermieter verpflichtet sich, dem Mieter eine bewegliche oder unbewegliche Sache zum Gebrauch zu überlassen, wofür der Mieter dem Vermieter einen Mietzins leistet. Die Miete unterscheidet sich von der Pacht (Nutzung der Früchte und Erträgnisse), der Leihe (Gebrauchsleihe, Darlehen) sowie von neueren Formen der Gebrauchsüberlassung wie zum Beispiel dem Leasing (Variante der Kauf-Miete).
Vor 1800
Autorin/Autor:
Anne-Marie Dubler
Im Mittelalter erfüllte die Leihe das Bedürfnis von Grundherren und Hörigen nach befristeter Gebrauchsüberlassung von Boden und Höfen gegen Entgelt. Um städtische Liegenschaften kam die neue Form der "freien Erbleihe" auf. Diese wurde in grösseren Städten bereits im 12. und 13. Jahrhundert von der flexibleren Miete abgelöst, die unter veränderten sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen (Zustrom von Kaufleuten und Handwerkern mit zeitlich begrenztem Aufenthalt, allgemeine Fluktuation, Bodenverknappung und Bodenverteuerung) dem Vermieter neu Zinsanpassungen und eine bessere Sicherung seines Eigentums gewährte.
Unter den verschiedenen Formen von Miete ist im Gebiet der heutigen Schweiz die Mobilienmiete als Erste überliefert. Städte vermieteten zu Messe- und Jahrmarktzeiten Buden gegen "Standgeld" an fremde Kaufleute, ganzjährig auch Lagerlokale. Als rindmiet wurde im Spätmittelalter die Viehverstellung bezeichnet. Die Immobilienmiete, das Vermieten von Unterkünften und Geschäftslokalen, wurde zunächst bei Wohnungsnot praktiziert – in Basel während des Konzils (1431-1449) angesichts des Zustroms fremder Besucher und Kaufleute, in reformierten Städten bei der Aufnahme geflüchteter Hugenotten (16. Jh.).
Wohneigentum war die Regel: Sowohl das städtische Bürgerrecht wie das dörfliche Genossenrecht verlangten Haus- bzw. Hofbesitz, da Bürgerprivilegien – zum Beispiel Nutzungsrechte in Flur und Allmend – meist an Haus und Hof gebunden waren. Als die Zahl der Hofstätten im 17. und 18. Jahrhundert fixiert wurde, unterteilte man die Häuser und verfügte so mit Hausanteilen gleichwohl über Eigentum. Nur Arme mussten als "Hausleute" (Mieter) um "Hauszins" unterkommen. Wohnungsmiete trug den Stempel der Armut und wurde Zuzügern weitgehend verwehrt. In Städten und stadtnahen Dörfern wurden Mietverhältnisse dagegen immer häufiger. Unbemittelte, darunter viele Handwerker und Hintersassen, mieteten sich in Kammern, Hausteilen und Handwerksbuden ein bei Leuten, die ihr zum Teil ebenfalls geringes Einkommen mit dem Hauszins aufbesserten. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden aber auch grössere Stadthäuser stockweise unterteilt und an Bessergestellte (Beamte, Offiziere) vermietet.
19. und 20. Jahrhundert
Autorin/Autor:
Anne-Marie Dubler
Demografisches Wachstum, Niederlassungsfreiheit und allgemeine Mobilität lösten in der Schweiz wie im übrigen Europa nach 1800 und vermehrt nach 1850 den Zug in die Städte als Zentren von Industrie, Verwaltung und Tourismus aus. Die Folge war akute Wohnungsnot, vor allem bei mittellosen Arbeitsuchenden. In kurzer Zeit waren billige Kleinwohnungen zu erstellen. Steigende Bodenpreise diktierten die neue Wohnform – das mehrgeschossige Mietshaus. Fabrikanten liessen Arbeiter- und Kosthäuser und ganze Arbeitersiedlungen bauen. Die von privaten Spekulanten und Gesellschaften erstellten Mietskasernen waren, wie Wohnungsenqueten von Schweizer Städten zwischen 1884 (Genf) und 1897 (Luzern) belegen, billigste, sanitarisch meist ungenügende Zweckbauten (Wohnen). Mietshäuser mit geräumigen Etagenwohnungen für mittlere und obere Einkommen bewirkten längerfristig, dass die Miete den Makel der Armut verlor. Die mittelständische Mieterschicht unterstützte seit Beginn die Mieterverbände und deren Forderungen, unter anderem nach gemeinnützigem Wohnungsbau.
Parallel zur hektischen Bautätigkeit zwischen 1880 und 1910 nahm die Zahl der Mieter sprunghaft zu. In den grösseren Städten lag der Anteil der Mietwohnungen am Wohnungsbestand bereits vor 1900 bei 77-86% (Bern). Was in der Stadt nach 1850 im grossen Stil begonnen hatte, setzte sich nach 1900 auf dem Land fort. Damit wurde die Schweiz im 20. Jahrhundert, nicht zuletzt dank einem mieterfreundlichen Mietrecht, zur "Nation der Mieter" mit dem grössten Mieteranteil in Europa (1990 69%).
Mietrecht
Autorin/Autor:
Bernard Degen
Gegenstand des Mietrechts ist ein Schuldvertrag, der anlässlich der ersten bundesrechtlichen Regelung im Obligationenrecht (OR) 1881 wie folgt definiert wurde: "Durch den Mietvertrag verpflichtet sich der Vermieter, dem Mieter den Gebrauch einer Sache zu überlassen, und der Mieter, dem Vermieter hierfür eine Vergütung (Mietzins) zu bezahlen." Das Mietrecht bezweckt den Schutz des Mieters als schwächerer Vertragspartei und baut auf drei Säulen: Erschwerung von Kündigung und von Missbrauch seitens des Vermieters sowie Mängelrecht des Mieters.
Mit dem Aufblühen der Städte im Mittelalter bildete sich die Miete zum selbstständigen Rechtsgeschäft aus. Verfügte der Mietende ursprünglich über eine gute, dem Eigentum nähere Stellung, so verstärkte sich vom 16. Jahrhundert an die Position des Eigentümers, parallel zum Vordringen römisch-rechtlicher Normen wie "Kauf bricht Miete". Infolge von Industrialisierung und Urbanisierung verbreiteten sich im 19. Jahrhundert Mietverhältnisse massenhaft, sodass lokale und regionale Regelungen nicht mehr genügten. Erstmals bundesrechtliche Normen zur Miete enthielt der Entwurf von 1871 für ein OR. Im Rahmen des OR 1881 (Artikel 274-295) trat das erste Mietrecht in Kraft, das vor allem Pflichten von Vermieter und Mieter sowie die Beendigung der Miete regelte. Weitgehend auf die Vorstellung von gleichberechtigten Vertragsparteien bauend, gab es dem Mieterschutz (z.B. in den Bereichen Rücktrittsrecht, Mängelbehebung, Abschwächung des Prinzips "Kauf bricht Miete") nicht viel Raum. Die Revision des OR von 1911 änderte wenig am Mietrecht, das in dieser Fassung bis 1970 galt, wenn auch meist durch befristetes Notrecht relativiert.
Im Ersten Weltkrieg entstand ein eigentlicher Mieterschutz mit erstreckten Ausweisungsfristen für Not leidende Mieter (1914) sowie erschwerten Mietzinserhöhungen und Kündigungen (1917 und 1918). Diese Massnahmen wurden 1920 ergänzt bzw. teilweise aufgehoben und in einem einzigen Erlass zusammengefasst, der bis Ende 1926 in Kraft blieb. Danach galt wieder allein das OR, 1936-1939 eingeschränkt durch eine allgemeine Preiskontrolle. Im Zweiten Weltkrieg kamen die gleichen Massnahmen wie im Ersten zur Anwendung, allerdings rascher und gezielter. In der Nachkriegszeit folgte eine Lockerung, aber keine Aufhebung. Vorab der Kontrolle der Mietzinse und der Erschwerung von Kündigungen dienten zahlreiche befristete Erlasse (1946, 1950, 1953, 1954, 1956, 1957, 1960, 1961), bis Ende 1970 das gesamte ausserordentliche Mietrecht aufgehoben wurde. Die erschwerte Kündigung fand 1970 Eingang in das OR, die Mietzinsgestaltung blieb vorübergehend frei.
Seit den späten 1960er Jahren kam Bewegung in das ordentliche Mietrecht, unter anderem durch vier Initiativen (eingereicht 1967, 1971, 1973 und 1982). Als Gegenvorschlag zu diesen trat 1972 Artikel 34septies BV in Kraft, der dem Bund die Kompetenz zum Erlass von Vorschriften gegen Missbräuche im Mietwesen in Gemeinden mit Wohnungsnot erteilte. Darauf gründete im gleichen Jahr der Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (BMM). Er enthielt im Kern Vorschriften zur Höhe der Mietzinse, führte Schlichtungsstellen ein und blieb bis 1990 in Kraft. Eine grundlegende Revision des Mietrechts setzte 1978 (Expertenkommission) ein. Die Basis legte 1986 ein neuer Artikel 34septies BV, der die Kompetenz seines Vorgängers von 1972 auf alle Gemeinden ausdehnte. Darauf baute 1989 ein revidiertes Mietrecht (Artikel 253-274 OR) mit den vier Abschnitten: Allgemeine Bestimmungen, Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen des Vermieters (enthält im Wesentlichen den BMM), Kündigungsschutz sowie Behörden und Verfahren. Damit war der Mieterschutz zeitlich unbefristet und für die ganze Schweiz in das ordentliche Recht integriert. In den 1990er Jahren ist die Diskussion um Kosten- (Bindung an nachgewiesene Kosten, unter anderem Hypotheken) und Marktmiete (Regulierung durch Marktkräfte) in den Vordergrund gerückt. Die Bundesverfassung von 1999 hält die Rechte des Bundes im Mietwesen (Vorschriften gegen Missbräuche und über Allgemeinverbindlicherklärung von Rahmenmietverträgen) in Artikel 109 fest. In Volksabstimmungen verworfen wurden sowohl die Volksinitiative des Mieterverbands "Ja zu fairen Mieten" 2003 als auch eine vermieterfreundliche Revision des OR 2004.