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Sportverbände

Sportverbände sind Interessengruppen, zu denen sich selbstständige Vereine zusammenschliessen. Ihr Ziel ist die Organisation, Verwaltung, Leitung und Vertretung der jeweiligen Sportart auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Die Gründung der Sportverbände geht wie diejenige der Vereine auf die Institutionalisierung des Sports im 19. Jahrhundert zurück. Die Verbände erstellen Reglemente, organisieren Wettkämpfe, kontrollieren die Mitgliedschaft, fördern ihre Sportart und vertreten diese gegen aussen. In jüngster Zeit kamen die Dopingbekämpfung und das Abschliessen von Verträgen, die das Sponsoring und die Übertragungsrechte der von ihnen organisierten Sportveranstaltungen betreffen, zu den Verbandsaufgaben hinzu.

Kopf der Eidgenössischen Schwinger-Zeitung vom 18. August 1907 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Kopf der Eidgenössischen Schwinger-Zeitung vom 18. August 1907 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

In der Schweiz setzte die Geschichte der Sportvereine in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, als 1824 der Schweizerische Schützenverein (Schützenwesen) und 1832 der Eidgenössische Turnverein (seit 1985 Schweizerischer Turnverband, Turnbewegung) gegründet wurden. Für beide Vereine standen patriotische und gesellige Zielsetzungen im Vordergrund (Eidgenössische Feste). Auch für den 1863 gegründeten Schweizer Alpen-Club spielte die sportliche Betätigung eine untergeordnete Rolle (Alpinismus). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Sportverbände der modernen Sportarten (1883 Rad, 1886 Rudern, 1895 Fussball und Leichtathletik, 1896 Tennis, 1898 Golf). In diesen Organisationen vereinten sich Clubs, die nach englischem Vorbild rein sportliche Ziele verfolgten: Sie dienten der Freizeitbeschäftigung, organisierten Wettkämpfe und waren auf Leistungssteigerung ausgerichtet. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nahm die Zahl der Sportverbände dank des in Mode kommenden Wintersports weiter zu (1903 Bob, 1904 Ski, 1908 Eishockey, 1911 Eiskunstlaufen). Mit dem sozialistischen Schweizerischen Arbeiter-, Turn- und Sportverband (Satus) 1874 und dem Schweizerischen Katholischen Turnverband 1919 wurden ideologisch gefärbte Sportverbände ins Leben gerufen, während der 1864 gegründete Schweizerische Unteroffiziersverein vor allem den Militärsport vertrat. Am Rand der Sportbewegung entstanden die Verbände der Nationalspiele der Schweiz, so 1895 der Eidgenössische Schwingerverband und 1902 der Eidgenössische Hornusserverband.

Meisterschaften des Eidgenössischen Turnvereins in Langenthal, 6. September 1925. 35-mm-Stummfilm von Willy Leuzinger (Cinémathèque suisse, Filmsammlung Cinema Leuzinger, Signatur 77; Konsultativkopie Memobase ID CS-03_2).
Meisterschaften des Eidgenössischen Turnvereins in Langenthal, 6. September 1925. 35-mm-Stummfilm von Willy Leuzinger (Cinémathèque suisse, Filmsammlung Cinema Leuzinger, Signatur 77; Konsultativkopie Memobase ID CS-03_2). […]

Im Zug der Ausbreitung des Sports und internationaler Wettkämpfe wurden auf nationaler Ebene Dachverbände gegründet, unter anderen als erster 1912 das Schweizerische Olympische Comité (SOC), das die Beteiligung der Schweizer Sportler an den Olympischen Spielen (Olympische Bewegung) regelte. 1922 folgte der Schweizerische Landesverband für Leibesübungen (SLL, ab 1977 Schweizerischer Landesverband für Sport SLS). Er schlug eine Brücke zwischen der Turnbewegung, den modernen Sportarten und dem Turnunterricht an den Schulen (Körpererziehung), um den sich der 1858 gegründete Schweizerische Turnlehrerverein kümmerte. Dem Landesverband schlossen sich die wichtigsten Sport- und Turnvereine an. Neben der Sportförderung engagierte er sich als Kontroll- und Koordinationsinstanz bei Wettkämpfen, Meisterschaften, medizinischen und wissenschaftlichen Fragen, Sportanlagen sowie der Verteilung von Subventionen. 1966 entstand das Nationale Komitee für Elite-Sport (NKES), das in enger Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Sportschule Magglingen Spitzensportler auf internationale Wettkämpfe vorbereitete. 1997 vereinigten sich das SOC, der SLS und das NKES zum Schweizerischen Olympischen Verband. Seit 2001 tritt der Dachverband der Schweizer Sportverbände unter dem Namen Swiss Olympic auf.

Rund 30 internationale Sportverbände, unter anderen jene der beliebtesten Sportarten wie Fussball, Rad, Schwimmen, Turnen und Ski, haben ihren Sitz in der Schweiz. Dies hängt wohl mit der Anwesenheit des Internationalen Olympischen Komitees in Lausanne sowie dem Ruf der Schweiz als stabiles, sicheres und neutrales Land zusammen.

Mit dem Aufstieg des Sports zum Massenphänomen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zur Gründung von Sportverbänden, die sich für ganz bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Menschen mit Behinderung (1960) oder Betagte (1971) einsetzen, während der Frauensport in die bestehenden Sportverbände integriert wurde. Eine Ausnahme bildete der 1908 geschaffene Schweizerische Frauenturnverband. Im 20. Jahrhundert nahm die Zahl der Sportverbände kontinuierlich zu: 1900 gab es deren 11, 1922 traten 21 Verbände in den SLL ein, der nun rund 200'000 Mitglieder zählte. 1945 wies der SLL 38 Verbände mit rund 800'000 Mitgliedern auf, wovon mehr als die Hälfte Turner und Schützen waren. 2010 umfasste Swiss Olympic 82 Sportverbände, die rund 22'600 Sportvereine sowie insgesamt ca. 1,5 Mio. aktive Mitglieder (davon knapp ein Drittel Frauen) vertraten. Die Sportverbände wiesen 7200 Vollzeitstellen auf, davon entfielen 1100 Stellen auf die internationalen Verbände.

Die Sportverbände finanzieren sich aus Mitgliederbeiträgen, Einnahmen aus Sportveranstaltungen, öffentlichen Mitteln wie den eidgenössischen Subventionen für den militärischen Vorunterricht ab 1907, Beiträgen aus der Sport-Toto-Gesellschaft (seit 1938) sowie Spenden. In den letzten Jahren spielten neue Einnahmequellen wie Sponsoringverträge und bei Sportarten mit starker Medienpräsenz der Verkauf von Übertragungsrechten eine immer bedeutendere Rolle.

Quellen und Literatur

  • Pieth, Fritz: Sport in der Schweiz. Sein Weg in die Gegenwart, 1979, S. 153-178.
  • Lamprecht, Markus; Stamm, Hanspeter: Sportvereine in der Schweiz. Probleme – Fakten – Perspektiven, 1998.
  • Jaccoud, Christophe; Busset, Thomas (Hg.): Sports en formes. Acteurs, contextes et dynamiques d'institutionnalisation, 2001 (Tagungsband).
  • Lamprecht, Markus; Stamm, Hanspeter: Sport zwischen Kultur, Kult und Kommerz, 2002.
Weblinks
Kurzinformationen
Kontext Nationales Komitee für Elite-Sport (NKES), Schweizerischer Landesverband für Sport (SLS), Schweizerischer Olympischer Verband (SOV), Swiss Olympic

Zitiervorschlag

Marco Marcacci: "Sportverbände", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.01.2021, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/045083/2021-01-15/, konsultiert am 16.04.2024.