Der Platz ist ein räumliches, städtebaulich-architektonisches Gebilde unter freiem Himmel. Im Gebiet der heutigen Schweiz sind die Plätze spätestens seit der römischen Epoche nachgewiesen (Forum). Im Unterschied zum privat genutzten Hof ist der Platz öffentlich zugänglich. Auf ihm fokussiert sich das gesellschaftliche Leben eines Ortes (Dorf), einer Region oder eines Quartiers (Stadt), und wichtige Verkehrswege laufen hier zusammen. Dabei kann der Platz wirtschaftlichen, politischen, kulturellen oder religiösen Zwecken dienen. Vielerlei Faktoren – topografische, historische, funktionale, wirtschaftliche, städtebauliche und architektonische – wirken auf die Form des Platzes ein und erklären dessen typologische und morphologische Vielfalt.
Typologie und Geschichte
In der Schweiz lassen sich Plätze der vorindustriellen Zeit, des Industriezeitalters und der Dienstleistungsgesellschaft unterscheiden. Die jeweiligen Plätze wurden von den Transportmitteln geprägt: zuerst von den Saumtieren, Fuhrwerken und Kutschen, später von den Eisenbahnen und den Tramways, seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vom Automobil. Die Typologie der Plätze unterscheidet im Weiteren zwischen dem ländlichen und dem städtischen Platz; diese Unterscheidung verliert mit dem Zusammenwachsen der Siedlungen zur Agglomeration an Gültigkeit. Zahlenmässig dominieren die Dorfplätze, oft mit Kirche oder Gemeindehaus, meist mit Brunnen.
Gliedert man die Plätze nach Funktionen, steht am Anfang der Marktplatz (Märkte). Die Place du Bourg-de-Four, der Genfer Marktplatz des Mittelalters, entstand an der Stelle des römischen Forums. Basel besass drei Marktplätze: den Säumarkt (Barfüsserplatz), den Kornmarkt (Marktplatz) und den Fischmarkt. Etliche mittelalterliche Kleinstädte können als umbaute Marktplätze interpretiert werden (z.B. Aarberg, Le Landeron, Greyerz). Die Gründungsstädte der Zähringer und Kyburger (Rheinfelden, Freiburg, Lenzburg) besitzen statt des Marktplatzes einen Gassenmarkt (Städtegründung). Der zweite Platztyp in den Städten des Mittelalters, der Kirch- oder Münsterplatz, entstand oft erst durch Abbruch der Häuser vor dem Haupteingang (Münsterplatz in Bern, Place de la Cathédrale in Genf). Er bildet den sakralen Gegenpol zum weltlichen Marktplatz; entsprechend selten ist deren Kombination. Der Rathausplatz hingegen kommt sowohl eigenständig (Freiburg, La Chaux-de-Fonds, Thun) als auch in Kombination mit dem Markt (Biel, Lausanne, Rapperswil) vor. Seine Vollendung erlebte der Regierungsplatz nach den Umwälzungen 1798-1848. Die Kantone schufen sich vor dem Parlamentsgebäude repräsentative Plätze (Regierungsplatz in Chur, Place du Château in Lausanne, Rathausplatz in Glarus), der junge Bundesstaat erhielt als räumlichen Ausdruck seiner Macht den Berner Bundesplatz, und in Locarno und Lugano wandelten sich die alten Schiffländen dank Uferaufschüttungen und Regierungsbauten zur Piazza Grande bzw. zur Piazza della Riforma.
Das Siedlungswachstum im Gefolge der Industrialisierung brachte – vor allem in der Gründerzeit – neue Formen des Platzes hervor: den Bahnhofplatz in Stadt und Land, den Banken- und Geschäftsplatz (Place Pury in Neuenburg, Paradeplatz in Zürich, Saint-François in Lausanne), den Verkehrsplatz (Jonction in Genf, Zentralplatz in Biel, Postplatz in Chur), den Quartierplatz vor allem in Blockrandvierteln (Matthäuskirchplatz in Basel, Idaplatz in Zürich, Breitenrainplatz in Bern). Die Form der Plätze spiegelte dabei zunehmend die jeweils herrschende Städtebautheorie.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stand im Zeichen des motorisierten Individualverkehrs und der Zerstörung der Plätze, die zu Verkehrsverteilern und Parkplätzen degradiert wurden. Zwar entstanden während der Hochkonjunktur in aufstrebenden Agglomerationsgemeinden neue Dorfplätze (Muttenz, Zumikon, Geroldswil, Monte Carasso), doch wurden wesentlich mehr bestehende Plätze dem Verkehr geopfert. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts erlebt der Platz eine Renaissance. Seine Gestaltung bestimmen zunehmend die Landschaftsarchitekten (Turbinenplatz in Zürich, Bahnhofplatz in Frauenfeld, Place du Manoir in Martigny).
Die Plätze der Flecken und der Landsgemeindeorte
Zwei Typen des Platzes sind untrennbar mit der Geschichte der Eidgenossenschaft verbunden: der Platz des Fleckens und der Landsgemeindeplatz. Beide verdanken ihre Verbreitung den demokratischen Traditionen, welche das Entstehen öffentlicher Räume begünstigten.
Nichtstädtische Marktorte finden sich im ganzen Alpenraum als Versorgungszentren der Täler und Umschlagsorte an Pässen. Wie bei den Stadtgründungen waren es die Landesherren, kirchliche oder weltliche, welche zwischen dem 13. und frühen 15. Jahrhundert den kleinen Siedlungen bei der Talkirche das Marktrecht verliehen. Diese Massnahmen wirkten raumbildend; im Voralpen- und Alpenraum entstanden polyfunktionale Plätze, die als räumliche Zentren einer ganzen Talschaft oder Region dienten (Sarnen, Poschiavo, Ernen, Herisau). Auch in den Passdörfern finden sich derartige Plätze (Splügen, Simplon-Dorf, Orsières). Der Platz des Fleckens ist gleichzeitig Markt-, Rathaus-, Kirch-, Versammlungs- und Verkehrsplatz. Entsprechend vielfältig sind die Gebäude, die den Platz säumen: Rathaus, Kirche, Gasthäuser, Geschäfts- und Wohnhäuser. Die Anlage der Plätze geht meist ins Spätmittelalter zurück, die räumliche Gestalt und die Bauten – samt dem obligaten Brunnen – stammen aus der Barockzeit oder dem 19. Jahrhundert. Im Unterschied zu den spätmittelalterlichen Marktgründungen, bei denen der Marktplatz zusammen mit der alten Talkirche das Herz der Siedlung bildete, beeinflussten die späteren Marktgründungen das Dorfbild nur selten. Die Märkte fanden in der Hauptgasse (z.B. Saignelégier, Frick), in Markthallen (Langnau im Emmental), an der Schifflände (Rorschach, Stäfa) oder einfach am Rand des Dorfes (Schwarzenburg) statt.
Ebenfalls ins Spätmittelalter reichen die Ursprünge der Landsgemeinde zurück; ihre Verbreitung beschränkte sich noch ausgeprägter als jene des Fleckens auf den alpinen und voralpinen Raum. Die Lands- und Talgemeinden tagten unter freiem Himmel; manchmal wurden die Versammlungen in eine Kirche oder ein Rathaus verlegt. Gelegentlich wurde der ländliche Versammlungsort räumlich definiert, so im Fall des Ringes in Ibach, wo die Schwyzer Landsgemeinde bis 1848 tagte; die sechs Linden, die das Rund nahe der Brücke über die Muota säumen, entsprechen der Einteilung des alten Landes Schwyz. In Zug, der einzigen Stadt, in der bis 1847 eine Landsgemeinde stattfand, kam der Landsgemeindeplatz erst durch die Stadterweiterung im 16. Jahrhundert innerhalb der Stadtmauern zu liegen. Die Appenzeller legten ihren Versammlungsort nach den Befreiungskriegen (1401-1405) abseits des Dorfkerns und des äbtischen Hofes an. Die Randbebauung ist sekundär, wichtiger war die Gerichtslinde und der Brunnen. Seine bauliche Geschlossenheit erlangte der Platz erst im 19. Jahrhundert. Nach der Landesteilung 1597 tagten die Ausserrhoder Volksversammlungen alternierend in Hundwil und Trogen. Während in Trogen – als grosse Ausnahme – der Landsgemeindeplatz mit dem Dorfplatz identisch war, existierte in Hundwil ein kleiner älterer Dorfplatz, auf dem die Verkehrswege der ausgedehnten Streusiedlungsgemeinde zusammenliefen. Der Landsgemeinde diente eine ansteigende, durch Appenzeller Giebelhäuser gefasste Wiese westlich der Kirche. Die Obwaldner verlegten ihre Landsgemeinde 1646 auf den Landenberg, wo nach der Erzählung des Weissen Buchs von Sarnen die Burg des Landvogts gestanden haben soll. Auch in Glarus blieb der Versammlungsort während Jahrhunderten eine Wiese am Rand des Fleckens; erst im ausgehenden 18. Jahrhundert begann die räumliche Fassung des Zaunplatzes durch Bürgerhäuser mit geschweiften Quergiebeln.
Quellen und Literatur
- H. Ammann, «Die Talschaftshauptorte der Innerschweiz in der ma. Wirtschaft», in Gfr. 102, 1949, 105-144
- H.C. Peyer, «Die Märkte der Schweiz in MA und Neuzeit», in Mitt. der antiquar. Ges. in Zürich 48, 1979, 19-39
- H.J. Rieger, «Zur Vielfalt der Plätze in der Schweiz», in NIKE-Bull., 2001, Nr. 4, 4-8