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SittenDomkapitel

Erste Residenz des 1043 erwähnten Domkapitels war vermutlich ein im 10. Jahrhundert umfriedeter Sakralbezirk (palitium) bei der Bischofskirche in Sitten. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zogen die Kanoniker in eigene Häuser auf dem Burghügel Valeria; vier residierten weiterhin an der Bischofskirche in der Stadt und versahen dort neben dem Chordienst auch Pfarrfunktionen. Der Stiftsbezirk auf Valeria umfasste Kirche und Burg, besass Immunität und ein eigenes Blutgericht. Dem Domkapitel unterstand ab 1163 das Spital St. Johann und ab 1343 das Siechenhaus. Es zählte adlige und bürgerliche Mitglieder und ergänzte sich selbst. Im Spätmittelalter standen Einheimischen und Landfremden 16 bis 25 Pfründen offen und es bestand keine ständige Residenzpflicht. Dignitäre waren der Dekan von Valeria (Welschdekan, 1859 aufgehoben), der Dekan von Sitten (Deutschdekan, seit 1859 Grossdekan), der Sakristan und der Kantor. Die Dekane übten im Mittelalter die archidiakonale Gerichtsbarkeit aus. Das Domkapitel, dessen älteste Statuten von 1168 datieren, führte 1189 ein eigenes Siegel und wählte bis ins 14. Jahrhundert die Bischöfe von Sitten, die es administrativ beaufsichtigte, politisch beriet und bei Sedisvakanzen vertrat. Mit 24 Patronatskirchen 1343 war das Domkapitel der bedeutendste Kollator im Bistum. Das Kanzlei- und Notariatswesen unterstand ihm ab dem 12. Jahrhundert im ganzen Fürstbistum, ab dem 16. Jahrhundert lokal begrenzt (Archiv mit den ältesten schweizerischen Notariatsbeständen). Zum Besitz gehörten bis 1798 kleinräumige Grund- und Gerichtsherrschaften im Mittel- und Oberwallis. Die Reformation und die Auseinandersetzungen mit den sieben Zenden schwächten den politischen Einfluss des Domkapitels. 1798 plünderten die Franzosen seinen Besitz und 1800 zogen die Domherren in die Stadt. Die französische Fremdherrschaft 1798-1813 führte nicht zu seiner Aufhebung. 1848 verwendete die radikale Walliser Regierung das verstaatlichte Vermögen des Domkapitels für die Kontributionzahlungen des Sonderbundskriegs. Die Teilrestitution 1859 und die Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl 1859-1878 stellten das Vermögen nicht wieder her. Die kirchliche Rechtskodifizierung des 20. Jahrhunderts beschränkte das 2009 zehn Mitglieder zählende Domkapitel auf rein liturgische Funktionen.

Quellen und Literatur

  • HS I/5, 359-532
  • C. Ammann-Doubliez, Chancelleries et notariat dans le diocèse de Sion à l'époque de maître Martin de Sion (✝︎ 1306), 2008
Von der Redaktion ergänzt

Zitiervorschlag

Gregor Zenhäusern: "Sitten (Domkapitel)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.12.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/049501/2012-12-19/, konsultiert am 18.04.2024.