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Auvernier - La Saunerie

Ufersiedlungen des Neolithikums am Nordufer des Neuenburgersees, in den ehemaligen Gemeinden Auvernier und Colombier, Gemeinde Milvignes (NE), seit 2011 Unesco-Welterbe.

Auvernier - La Saunerie: Situationskarte 2018 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.
Auvernier - La Saunerie: Situationskarte 2018 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.

Die Bucht von Auvernier umfasst das weitläufige Gelände unterhalb des Schlosses Colombier bis zum alten Hafen von Auvernier. Im Verlauf der Urgeschichte war dieses Gebiet - mit dem genutzten Hinterland - die am dichtesten besiedelte Region des Kantons Neuenburg. Allein während der Lüscherzkultur gab es hier sechs Siedlungen, die aufeinander folgten oder die teilweise gleichzeitig bewohnt waren. Die Fundstelle La Saunerie wurde der Einfachheit halber Auvernier zugeteilt, obwohl sie sich auch auf das Gebiet von Colombier erstreckt.

Die Ufersiedlungen wurden wie etliche andere Pfahlbauten in der Schweiz während der ausserordentlichen Trockenperiode des Winters 1853-1854 entdeckt. Die Fundstelle befand sich damals rund 100 m vom Seeufer entfernt und war teilweise trockengefallen. Erkennbar war eine Anhäufung von Steinen und Kies, aus der Pfahlstümpfe ragten. Edouard Desor bezeichnete sie 1861 als Steinberg. Mehrere Kartenaufnahmen der Bucht von Auvernier verzeichnen die Fundstelle, so jene des Obersten Louis-Alphonse de Mandrot von 1878 und 1880 sowie jene des Kartografen Maurice Borel von 1905.

Paul Vouga vor einem der Profile der neolithischen Schichten, die während der Sondiergrabung in der Ufersiedlung La Saunerie in Auvernier aufgedeckt wurden und auf die sich die spätere Forschung stützte. Fotografie von Samuel Perret, 20. September 1919 (Laténium, Hauterive).
Paul Vouga vor einem der Profile der neolithischen Schichten, die während der Sondiergrabung in der Ufersiedlung La Saunerie in Auvernier aufgedeckt wurden und auf die sich die spätere Forschung stützte. Fotografie von Samuel Perret, 20. September 1919 (Laténium, Hauterive).

Die erste methodische Untersuchung der Fundstelle unternahm 1919 die Neuenburger Kommission für urgeschichtliche Archäologie unter der Leitung von Paul Vouga mit Hilfe von Sondiergrabungen, die zwischen 1920 und 1930 fortgeführt wurden. Auf der Grundlage dieser Arbeiten entwarf Vouga eine Periodisierung der neolithischen Ufersiedlungen. Dabei unterteilte er das Neolithikum in der Schweiz in vier verschiedene Phasen: Auvernier IV für das frühe Neolithikum, Auvernier III für das mittlere Neolithikum, Auvernier II für das späte Neolithikum und Auvernier I für das sogenannte Äneolithikum. Die von André Leroi-Gourhan und Samuel Perret 1948 und 1950 an mehreren Orten der Fundstelle durchgeführten kleineren Grabungen bestätigten die Schichtenabfolge ihres Vorgängers. Zudem gelang es ihnen, eine neue Schicht, die Cortaillod tardif, zwischen dem frühen Jung- und dem Spätneolithikum zu identifizieren (Cortaillodkultur).

Luftaufnahme der Grabung auf dem Gelände der neolithischen Ufersiedlung La Saunerie, die innerhalb eines Senkkastens aus Spundwänden erfolgte. Fotografie, 1964/1965 (Laténium, Hauterive).
Luftaufnahme der Grabung auf dem Gelände der neolithischen Ufersiedlung La Saunerie, die innerhalb eines Senkkastens aus Spundwänden erfolgte. Fotografie, 1964/1965 (Laténium, Hauterive).

Wegen des Baus der Autobahn A5 mitten durch die Bucht von Auvernier fand 1964-1965 eine von Christian Strahm geleitete Notgrabung in La Saunerie statt, welcher 1972-1975 eine zweite unter der Aufsicht von Jean-Luc Boisaubert folgte. Diese wurden innerhalb eines Senkkastens vorgenommen, der eine Fläche von 200 m2 umschloss. Strahm dokumentierte zwei archäologische Schichten, die Vougas Auvernier I und Auvernier II entsprachen. Er ordnete sie einer neuen Kulturgruppe unter dem Namen Auvernierkultur (heute Auvernier-Cordé) zu, für die Schnurkeramik und Silexdolche aus Grand-Pressigny typisch sind. Später bestätigten dendrochronologische Untersuchungen die Abfolge von zwei Siedlungsphasen: Die ältere Siedlung wurde auf 2634-2550 v.Chr. datiert, die jüngere auf 2550-2434 v.Chr. Aufgrund weiterer Forschungen zur gleichen Epoche, die Strahm bei Fundstellen am Bielersee durchführte, identifizierte er eine neue materielle Kultur. Diese nannte er Lüscherzkultur. Er wies sie Paul Vougas mittlerem Neolithikum (Auvernier III) zu.

Teilweise restaurierte, 24-28 cm hohe Keramikgefässe, die bei den Grabungen 1964-1965 zum Vorschein kamen. Fotografie von Yves André, um 1989 (Laténium, Hauterive).
Teilweise restaurierte, 24-28 cm hohe Keramikgefässe, die bei den Grabungen 1964-1965 zum Vorschein kamen. Fotografie von Yves André, um 1989 (Laténium, Hauterive). […]

Die jüngsten Untersuchungen zwischen 1972 und 1975 brachten für die archäologische Abfolge wichtige Erkenntnisse zu den Kulturen der Cortaillod classique und Cortaillod tardif, der Lüscherzkultur sowie der Kultur der Auvernier-Cordé. Dendrochronologische Studien deckten verschiedene Schlagphasen während der Periode des Cortaillod tardif (3637-3633 v.Chr. und 3600-3597 v.Chr.) und während der Lüscherzkultur (2784-2701 v.Chr.) auf.

Mit einer Fläche von 3,2 ha ist die heute vollständig aufgeschüttete Fundstelle La Saunerie in der Bucht von Auvernier die grösste und für die Forschung vielversprechendste. Ihre Bedeutung besteht darin, dass sie die Chronologie des Neolithikums in der Schweiz zu erschliessen, ja sogar neue materielle Kulturen zu definieren erlaubt (Cortaillod tardif, Lüscherzkultur, Auvernier-Cordé). Trotz der Menge der gesammelten Daten bleibt es schwierig, die Siedlungsgrundrisse in ihrem Zusammenhang zu rekonstruieren. Zuerst scheint das Gebiet von La Saunerie während des Jungneolithikums (Cortaillodkultur) im hinteren Teil der Bucht besiedelt worden zu sein, dann rückten die Siedlungen nach und nach in Richtung See vor.

Quellen und Literatur

  • Viollier, David; Vouga, Paul: "Lac de Neuchâtel", in: Pfahlbauten. Zwölfter Bericht, 1930, S. 5-43 (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 30/7). Online: e-periodica, konsultiert am 25.09.2018.
  • Vouga, Paul: Le Néolithique lacustre ancien, 1934 (Recueil de travaux publiés par la Faculté des Lettres, 17).
  • Strahm, Christian: "Les fouilles d’Auvernier en 1965", in: Musée neuchâtelois, 1966, Nr. 4, S. 145-152. Online: Rero doc, konsultiert am 25.09.2018.
  • Boisaubert, Jean-Luc: Le Néolithique moyen de La Saunerie. Fouilles 1972-1975, 1982, S. 9-72 (Cahiers d’archéologie romande, 22).
  • Schifferdecker, François: "La baie d’Auvernier. Topographie et stratigraphies", in: Billamboz, André; Brochier, Jacques-Léopold: La station littorale d’Auvernier-Port. Cadre et évolution, 1982, S. 131-141 (Cahiers d’archéologie romande, 25).
  • Arnold, Béat: A la poursuite des villages lacustres neuchâtelois. Un siècle et demi de cartographie et de recherche, 2009 (Archéologie neuchâteloise, 45). 

Zitiervorschlag

Sonia Wüthrich: "Auvernier - La Saunerie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.04.2019, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/055508/2019-04-03/, konsultiert am 03.12.2024.