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Chens-sur-Léman - Tougues

Ufersiedlungen der Bronzezeit am Südufer des Genfersees, in der Gemeinde Chens-sur-Léman, Departement Hochsavoyen (F), seit 2011 Unesco-Welterbe.

Chens-sur-Léman - Tougues: Situationskarte 2018 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.
Chens-sur-Léman - Tougues: Situationskarte 2018 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.

Die Fundstelle Tougues, benannt nach dem Ort Creux de Tougues, liegt inmitten von anderen Ufersiedlungen auf dem Gebiet der Gemeinde Chens-sur-Léman. Das fast 5 km lange Ufergebiet der Gemeinde umfasst von Südwesten nach Nordosten die sieben Ufersiedlungen Sous le Moulin (Spätbronzezeit), La Fabrique Nord (Spätbronzezeit), Tougues (Spätbronzezeit), Beauregard 1 (Spätneolithikum), Beauregard 2 (Spätbronzezeit), Beauregard 3 (Spätneolithikum) und La Vorge Ouest (Spätbronzezeit). Nur die Siedlung in Tougues wurde weiträumig untersucht; dabei wurde auf einer Fläche von 15 meine archäologische Sondiergrabung vorgenommen.

1860 wurde die Fundstelle Tougues erstmals von Frédéric Troyon erwähnt. Im ersten Inventar der Funde aus den neolithischen Siedlungen im Departement Hochsavoyen veröffentlichte Louis Revon 1875 deren Beschreibung, die Ernest Chantre 1876 vervollständigte. François-Alphonse Forel vermerkte sämtliche Ufersiedlungen am hochsavoyischen Ufer des Genfersees in seiner Übersichtskarte der Pfahlbaudörfer am Genfersee, die im dritten Band seiner Monografie zum Genfersee erschien. Schon 1937-1938 wurden die ersten Untersuchungen am Fundort La Vorge durchgeführt, bei denen ein spezielles, um 1930 konstruiertes autonomes Tauchgerät zum Einsatz kam. Ein Projekt zur Errichtung eines Bootshafens, der die Fundstelle Tougues teilweise zerstört hätte, bot 1987 den Anlass für eine umfassende Untersuchung des unter Wasser liegenden Dorfs. Zwischen 1988 und 1996 folgten systematische Prospektionsarbeiten der gesamten Uferzone innerhalb der Gemeinde. Diese Forschungsarbeiten leitete André Marguet vom Centre national de la recherche archéologique subaquatique.

Bauelement, gesichtet bei den Prospektionsarbeiten 1987 auf der Fundstelle am Seegrund (Centre national de recherches archéologiques subaquatiques, Annecy).
Bauelement, gesichtet bei den Prospektionsarbeiten 1987 auf der Fundstelle am Seegrund (Centre national de recherches archéologiques subaquatiques, Annecy). […]

Tougues stellt wie Collonge-Bellerive I eine der reichhaltigsten und am besten erhaltenen Fundstellen aus der Spätbronzezeit am Genfersee dar. Ungefähr 3 m unter dem Wasserspiegel breitet es sich über ein Gebiet von nahezu einer Hektare aus. Die Abfolge der zusammen fast 70 cm mächtigen Kulturschichten umfasst drei Siedlungshorizonte von je ca. 15 cm Dicke. Auf der Seeseite des Fundorts blieben die organischen Schichten auf einer Fläche von etwa 2700 m2 erhalten. Die älteste Kulturschicht datiert gemäss dendrochronologischen Untersuchungen aus der Zeitspanne von 1071 bis 1038 oder 1028 v.Chr., die mittlere Siedlungsphase dauerte von 1017 bis 962 oder 943 v.Chr. Das jüngste Dorf war schliesslich 910 bis 859 v.Chr. belegt. Bemerkenswert ist, dass das Enddatum 859/858 v.Chr. der letzten Siedlungsphase identisch ist mit jenem der Belegung der Fundstelle Plonjon in der Bucht von Genf.

Spätbronzezeitliche Vase mit Hals, Höhe etwa 18 cm, geborgen während der Sondiergrabungen 1987 (Musée Château d'Annecy; Fotografie Centre national de recherches archéologiques subaquatiques, Annecy).
Spätbronzezeitliche Vase mit Hals, Höhe etwa 18 cm, geborgen während der Sondiergrabungen 1987 (Musée Château d'Annecy; Fotografie Centre national de recherches archéologiques subaquatiques, Annecy). […]

Die archäologischen Objekte, hauptsächlich aus Keramik, lassen sich aufgrund des stratigrafischen Fundzusammenhangs eindeutig einer der drei Siedlungsphasen zuordnen; sie bilden ein einzigartiges, gut datiertes typologisches Fundensemble für das Genferseegebiet. In den Gefässgruppen der unteren und mittleren Kulturschichten sind Einflüsse aus der Rhein-Schweiz-Ostfrankreich-Kultur (Rhin-Suisse-France orientale) fassbar. Dagegen weist die Keramik des oberen Horizonts typologisch eigenständigere Formen auf, die einen Bruch in der Keramiktradition markieren. Das ebenfalls dort entdeckte Rad war aus Eichen- und Ahornholz gebaut und datiert aus dem Jahr 905 v.Chr.

Die Fundstätten im gesamten Uferareal von Chens-sur-Léman bilden die Abfolge der Dörfer beispielhaft ab. Besiedelt waren sie hauptsächlich während der Spätbronzezeit und auch des Spätneolithikums. Diese beiden Zeitperioden sind unter den Ufersiedlungen am Genfersee in der Schweiz wie in Frankreich am häufigsten vertreten. Am französischen Genferseeufer wurde allein der Fundort Tougues in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen.

Spätbronzezeitlicher Korbteil, Länge etwa 30 cm (Musée Château d'Annecy; Fotografie Centre national de recherches archéologiques subaquatiques, Annecy).
Spätbronzezeitlicher Korbteil, Länge etwa 30 cm (Musée Château d'Annecy; Fotografie Centre national de recherches archéologiques subaquatiques, Annecy). […]

Quellen und Literatur

  • Revon, Louis: "La Haute-Savoie avant les Romains, IV. Stations lacustres", in: Revue savoisienne, 16, 1875, S. 57-61.
  • Bocquet, Aimé; Marguet, André; Orcel, Alain: "Datations absolues sur les stations littorales et l'âge du Bronze final dans les Alpes du Nord", in: Brun, Patrice; Mordant, Claude (Hg.): Le groupe Rhin-Suisse-France orientale et la notion de civilisation des Champs d'Urnes, 1988, S. 435-444 (Mémoires du Musée de préhistoire d'Ile-de-France, 1).
  • Billaud, Yves; Marguet, André: "Le site Bronze final de Tougues à Chens-sur-Léman (Haute-Savoie). Stratigraphie, datations absolues et typologie", in: Archéologie et environnement des milieux aquatiques. Lacs, fleuves et tourbières du domaine alpin et de sa périphérie, 1992, S. 311-348.
  • Billaud, Yves; Marguet, André; Magny, Michel: "Les installations littorales de l'âge du Bronze dans les lacs alpins français. Etat des connaissances", in: Richard, Hervé; Magny, Michel; Mordant, Claude (Hg.): Environnements et cultures à l'Age du Bronze en Europe occidentale, 2007.
  • Marguet, André: Chens-sur-Léman, Tougues (rive française du lac Léman), 2008, S. 236-237.

Zitiervorschlag

Pierre Corboud: "Chens-sur-Léman - Tougues", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.04.2019, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/058010/2019-04-03/, konsultiert am 22.05.2025.