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GabrielleNanchen

31.3.1943 Aigle, katholisch, von Icogne und Französin. Sozialdemokratische Politikerin, Nationalrätin des Kantons Wallis, eine der ersten elf in die grosse Kammer gewählten Frauen.

Gabrielle Nanchen im Nationalratssaal während der Wintersession 1971. Fotografie von Siegfried Kuhn, 16. Dezember 1971 (Ringier Bildarchiv, RBA 1-4-28429-2_1) © Staatsarchiv Aargau, Aarau / Ringier Bildarchiv.
Gabrielle Nanchen im Nationalratssaal während der Wintersession 1971. Fotografie von Siegfried Kuhn, 16. Dezember 1971 (Ringier Bildarchiv, RBA 1-4-28429-2_1) © Staatsarchiv Aargau, Aarau / Ringier Bildarchiv. […]

Als Tochter des Gabriel Stragiotti, italienischer Herkunft, und der Cécile geborene Thiault, französischer Herkunft, schloss Gabrielle Stragiotti 1965 ihr Studium der Sozialwissenschaften an der Universität Lausanne mit dem Lizenziat ab. 1966 erwarb sie das Diplom der Schule für Sozialarbeit in Lausanne, worauf sie anschliessend bis 1969 als Sozialarbeiterin im Dienst des Kantons Wallis stand. 1967 heiratete sie den Psychologen Maurice Nanchen, mit dem sie drei Kinder hat.

1971, im Jahr der Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts auf eidgenössischer Ebene, gelang Nanchen als Vertreterin der Sozialdemokratischen Partei (SP) der Sprung in den Nationalrat. Mit 28 Jahren war sie eine der jüngsten der ersten elf gewählten Nationalrätinnen. 1979 trat sie von ihrem Amt in der grossen Kammer zurück. Bei den Staatsratswahlen 1977 hatte Nanchen genügend Stimmen für ein Mandat erhalten, musste ihren Sitz aber dem nach ihr platzierten Freisinnigen Arthur Bender überlassen. Da die Walliser Verfassung zwei im gleichen Bezirk wohnhafte Staatsräte verbietet, hatte der mit höherer Stimmenzahl gewählte Antoine Zufferey von der Christlichdemokratischen Volkspartei, der wie Nanchen im Bezirk Siders wohnte, Vorrang. Damit verpasste sie die Chance, als erste Frau in der Schweiz in eine Kantonsexekutive einzuziehen. 1983 kandidierte sie erfolglos für den Ständerat.

Gabrielle Nanchen beim Start der Kampagne für die olympischen Winterspiele in Sitten 2006, 30. März 1998 (KEYSTONE / Fabrice Coffine, Bild 715742).
Gabrielle Nanchen beim Start der Kampagne für die olympischen Winterspiele in Sitten 2006, 30. März 1998 (KEYSTONE / Fabrice Coffine, Bild 715742). […]

Nanchen wirkte ab 1980 als Vizepräsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen und als Präsidentin des Walliser Vereins Femmes – Rencontres – Travail. Ab dem Ende der 1980er Jahre war sie als Delegierte der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe (ab 1996 Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) zuständig für die Beziehungen zum Europarat hinsichtlich der Nord-Süd-Fragen. 1998-2009 fungierte sie als Mitglied des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, 1998-2002 als Mitglied und Stiftungsratspräsidentin von Swissaid sowie 1999-2006 als Präsidentin der Stiftung für die nachhaltige Entwicklung der Bergregionen. Ferner engagierte sie sich in den 2010er Jahren als Vizepräsidentin der Association Compostelle-Cordoue, die 2009 von Jakobsweg-, Jerusalem- und Mekkapilgern gegründet worden war, um den Austausch zwischen den Kulturen zu fördern.

Während ihrer Amtszeit im Nationalrat trat Nanchen für das Recht auf Abtreibung ein, indem sie sich an der Ausarbeitung des Gesetzes für den straflosen Schwangerschaftsabbruch (Fristenlösung) beteiligte. 1977 initiierte sie einen parlamentarischen Vorstoss zur Familienpolitik, der auf eine obligatorische Mutterschaftsversicherung, die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs von 10 auf 16 Wochen und den Kündigungsschutz von Schwangeren abzielte. Ausserdem sass Nanchen in zahlreichen parlamentarischen Kommissionen im Bereich der Sozialversicherungen. Die Lohngleichheit von Frau und Mann sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie standen im Mittelpunkt ihres essayistischen Schreibens.

Quellen und Literatur

  • Nanchen, Gabrielle: Hommes et femmes, le partage, 1981.
  • Nanchen, Gabrielle: Liebe und Macht. Gedanken zu den weiblichen und männlichen Werten, 1992 (französisch 1990).
  • Nanchen, Gabrielle: Compostelle, de la reconquista à la réconciliation, 2008.
  • Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, Privatarchiv Gabrielle Nanchen, J1.274*.
  • L'Express, 2.11.1971; 15.3.1977; 19.4.1979.
  • Le Nouvelliste, 1.3.1977; 13.10.1983.
Weblinks
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GND
VIAF

Zitiervorschlag

Thierry Rossier: "Nanchen, Gabrielle", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.06.2019, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/058048/2019-06-12/, konsultiert am 19.03.2024.