9.4.1972 Freiburg, katholisch, von Misery-Courtion (von Cormérod bis 1996). Freiburger Ständerat, sozialdemokratischer Bundesrat.
Alain Berset ist das ältere von zwei Kindern des Lehrers Michel Berset, der an der Gewerblichen und Industriellen Berufsfachschule Freiburg unterrichtete, und der Solange geborene Angéloz, Buchhändlerin. Sein Grossvater François Angéloz war Syndic von Corminbœuf und Freiburger Grossrat für die Sozialdemokratische Partei (SP). Seine Mutter hatte 1996-2023 ebenfalls einen Sitz im Grossen Rat (Präsidentin 2010) inne, präsidierte 2002-2008 die Freiburger SP und war 2001-2011 Gemeindepräsidentin von Belfaux. Berset heiratete 2002 Muriel Zeender, promovierte Literaturwissenschaftlerin der Universität Neuenburg (2007) sowie Dozentin und bildende Künstlerin, von Köniz. Sie ist die Tochter des Uhrmachers und Geschäftsmanns Bernard Zeender und der Fotografin Madeleine geborene Piccand. Das Paar hat drei Kinder.
Berset besuchte die Primarschule in Belfaux, die Orientierungsschule Jolimont und das Kollegium Heilig Kreuz in Freiburg, an welchem er 1991 die altsprachliche Matura (Latein und Griechisch) erlangte. Gleichzeitig spielte er Klavier und machte Leichtathletik (Westschweizer Juniorenmeister über 800 m). Sein Studium an der Universität Neuenburg schloss er 1996 mit einem Lizenziat in Politikwissenschaften ab. Im Zuge seiner Doktorarbeit (Promotion 2005) spezialisierte sich Berset auf regionale Wirtschaftsentwicklungen und Migration und war Assistent sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter an seiner Neuenburger Alma Mater. Er war 2000-2001 Gastwissenschaftler im Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv und wurde 2002 strategischer Berater des Neuenburger Regierungsrats Bernard Soguel (SP). Von 2006 bis 2011 arbeitete er als unabhängiger Strategie- und Kommunikationsberater für Verbände, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen.
Geprägt von seinem familiären Umfeld, wandte sich auch Berset früh der Politik zu. Er wurde 2000 in den Freiburger Verfassungsrat gewählt und leitete die dortige SP-Fraktion (bis 2004). Dabei arbeitete er mit dem späteren Bundesparlamentarier und SP-Präsidenten Christian Levrat zusammen. 2001-2003 wirkte er im Generalrat von Belfaux, bevor er 2003 für die Freiburger SP den Sitz im Ständerat zurückeroberte. Berset wurde 2007 im zweiten Wahlgang in stiller Wahl gewählt, 2011 allerdings setzte er sich im ersten Wahlgang durch. Im Ständerat, den er 2009 präsidierte, gehörte er der Finanzdelegation sowie einer Reihe wichtiger Kommissionen (Finanzen, Wirtschaft und Abgaben, Rechtsfragen) an; zudem stand er der Staatspolitischen Kommission vor. Sein wachsender Einfluss brachte ihm das Vizepräsidium der SP-Fraktion in der Bundesversammlung ein (2005-2011). Er sass 2005-2011 in der Parlamentarischen Versammlung der Frankofonie in Paris sowie 2007-2011 in derjenigen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Nach der Ankündigung des Rücktritts von Micheline Calmy-Rey 2011 nominierte die SP zwei offizielle Kandidaten für ihre Nachfolge im Bundesrat: Alain Berset und den Waadtländer Gesundheitsdirektor Pierre-Yves Maillard. Am Tag der Wahl, dem 14. Dezember 2011, versuchte die Schweizerische Volkspartei (SVP) zunächst vergeblich, die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) und von Johann Schneider-Ammann der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) zu verhindern, und griff dann mit einer Kampfkandidatur erfolglos den Sitz der SP an. Mit 114 Stimmen verpasste Berset zwar das absolute Mehr von 122 im ersten Wahlgang vor Maillard (59) und dem SVP-Politiker Jean-François Rime (59), konnte sich im zweiten Wahlgang mit 126 Stimmen (absolutes Mehr 123) aber gegen Maillard (63) und Rime (54) durchsetzen. Ab 2012 stand er dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) vor. Seine Wiederwahlen 2015 und 2019 blieben unbestritten; 2018 und 2023 amtierte Berset als Bundespräsident.
Unter seiner Ägide entwickelte das EDI die Strategien Gesundheit2020 und Gesundheit2030 zur Dämpfung des Kostenwachstums (Medizinaltarife, Medikamentenpreise, elektronisches Patientendossier) und nahm Gesetzesrevisionen zur Krankenversicherung, über genetische Untersuchungen beim Menschen und betreffend Massnahmen zur Eindämmung von Epidemien in Angriff. Der Kampf gegen Covid-19 dominierte ab dem Jahr 2020 und führte zu einer erhöhten Medienpräsenz Bersets als Verantwortlicher für das Gesundheitswesen, der stellvertretend für den Gesamtbundesrat viel Kritik für den Umgang mit der Pandemie einstecken musste.
Im Rahmen der Sozialversicherungen wurden das nationale Programm zur Bekämpfung von Armut, das Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen, die Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose und das Bundesgesetz zur Unterstützung von betreuenden Angehörigen umgesetzt. Zudem verabschiedete das Parlament die Gesetzesrevision zur Weiterentwicklung der Invalidenversicherung (IV). Die zwei Vorlagen der Reform Altersvorsorge 2020 (Alters- und Hinterlassenenversicherung, AHV; Pensionskassen) scheiterten 2017 am Volks- und Ständemehr; insbesondere der ganzheitliche Ansatz der Reform, der Massnahmen in der ersten und in der zweiten Säule kombinierte, sowie die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Anhebung des Rentenalters für Frauen führten zur Ablehnung. Hingegen nahm die Stimmbevölkerung 2022 die Reform AHV 21 mit 50,6% Ja-Stimmen äusserst knapp an. Im Bereich der Gleichstellung wurde das entsprechende Bundesgesetz überarbeitet und 2016 eine Charta der Lohngleichheit im öffentlichen Sektor lanciert. Ausserdem beschloss der Bundesrat eine Verordnung über Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Darüber hinaus wurden Massnahmen zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung erarbeitet.
Auf Einladung von Berset verabschiedeten die europäischen Kulturministerinnen und Kulturminister 2018 die Erklärung von Davos für eine Politik der hohen Baukultur. Die Kulturpolitik des Bundes erhielt neue Impulse durch Budgeterhöhungen, die verbesserte Koordination von Förderinstanzen und die Einführung neuer Schweizer Kunstpreise für Musik, Theater und Tanz. Im Juni 2023 gab Alain Berset seinen Rücktritt aus dem Bundesrat per Ende Jahr bekannt. Sein Nachfolger, der Basler Sozialdemokrat Beat Jans, übernahm die Leitung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), während das EDI an Elisabeth Baume-Schneider überging.