11.10.1940 Schaffhausen, reformiert, von Schattenhalb, Meilen und Zürich. Unternehmer, Zürcher Nationalrat, Bundesrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und prägende Figur beim Wandel der SVP zu einer wählerstarken, nationalkonservativen Partei.
Christoph Blocher, das siebte von elf Kindern des Wolfram Blocher und der Ida geborene Baur, wuchs im elterlichen, konservativ-asketisch geprägten Pfarrhaus in Laufen am Rheinfall auf. Sein Grossvater war der Pfarrer und Publizist Eduard Blocher. Nach einer Ausbildung zum Landwirt und Praktika in Buch am Irchel, Pampigny und Knonau absolvierte er 1963 die eidgenössische Matura (Typus C) und studierte, beeinflusst von seinem Grossonkel, dem Bundesgerichtspräsidenten Eugen Blocher, Rechtswissenschaften an den Universitäten Zürich, Montpellier und Paris-Sorbonne. In Zürich war er Mitgründer und Präsident des bürgerlichen Studentenrings sowie Mitglied des Grossen Studentenrats; dort promovierte er 1971 mit einer Doktorarbeit über Landwirtschaftszonen und Eigentumsgarantie. 1967 heiratete er die Lehrerin Silvia Kaiser aus Wald (ZH), Tochter von Lony und Willy Kaiser, Leiter eines Tiefbauunternehmens. Der Ehe entsprangen vier Kinder, darunter die Unternehmerin und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher. Christoph Blocher ist der Bruder der Sozialarbeiterin und Buchautorin Judith Giovanelli-Blocher. Er war Oberst und Regimentskommandant im Militär.
1969 trat Christoph Blocher in den Rechtsdienst der Emser Werke AG ein. Bereits 1972 wurde er Direktionsvorsitzender und Delegierter von deren Verwaltungsrat und 1979 Delegierter des Verwaltungsrats der gesamten Ems-Chemie. Dieser rasche Aufstieg gelang ihm dank seiner engen Beziehung zum Firmengründer und Inhaber Werner Oswald, den Blocher als Sekretär im von Oswald initiierten Komitee zur Würdigung der Schlacht von Marignano und ihrer Konsequenzen kennengelernt hatte. Nach dem Tod Oswalds 1979 beauftragten ihn zwei von dessen Söhnen mit dem Verkauf des Unternehmens. Blocher, der 1981-1991 dem Verwaltungsrat der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) angehörte, erwarb 1983 mit Hilfe des grössten Privatkredits, den die SBG bis dahin vergeben hatte, selbst die Mehrheit der Aktien der Ems-Chemie Holding AG. Die Umstände dieser Übernahme wurden öffentlich kritisiert, insbesondere wurde vermutet, dass der Kaufpreis zu tief angesetzt worden war. In den Folgejahren konsolidierte Blocher die Ems-Chemie als erfolgreiches exportorientiertes Unternehmen mit Ablegern unter anderem in den USA und China sowie als grössten Arbeitgeber der Region Ems. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Martin Ebner nutzte er das Unternehmen zudem als Basis, um weitere Betriebe aufzukaufen, deren stille Reserven zu valorisieren, wenig einträgliche Abteilungen zu schliessen, hohe Gewinne auszuschütten sowie Firmenteile und Aktien weiterzuverkaufen. So verfuhren sie etwa mit der Alusuisse 1997. Die Finanzgewinne der Ems-Gruppe überstiegen zeitweise deren operativen Gewinn und machten Blocher zu einem der reichsten Einwohner der Schweiz. Seine Geschäfte mit dem Apartheid-Regime in Südafrika, das er politisch und medial mit der Gründung der Arbeitsgruppe südliches Afrika 1982 verteidigte, waren umstritten.
Der Schweizerischen Volkspartei (SVP) schloss sich Christoph Blocher 1972 an. 1974-1978 war er Gemeinderat von Meilen, 1975-1980 Zürcher Kantonsrat. Er präsidierte 1977-2003 die SVP des Kantons Zürich und sass 1979-2003 im Nationalrat. Der Sprung in den Ständerat misslang ihm 1987 (Bundesversammlung). 1985 ergriff er gegen das neue Eherecht das Referendum. Als Nationalrat setzte er sich ausserdem für tiefe Staatsausgaben, für den Finanzplatz Schweiz, gegen die Regulierung und Besteuerung der Finanzmärkte, gegen die Einwanderung sowie gegen die Einbindung des Landes in internationale Organisationen und Abkommen ein. Mit Unterstützung von Ueli Maurer, der 1996 Parteipräsident werden sollte, baute Blocher die SVP in den 1990er Jahren von einer Vertreterin des bäuerlich-gewerblichen Mittelstands zu einer neoliberalen, einwanderungs- und europakritischen Partei mit straffer Führungsstruktur und einem Netz von finanzstarken Grossspendern um, was zunächst auf vehementen innerparteilichen Widerstand stiess. Der abgelehnte Beitritt der Schweiz zu den Vereinten Nationen (UNO) 1986 gab nationalkonservativen Kräften jedoch Aufschwung und Blocher gründete zusammen mit Gleichgesinnten aus dem Aktionskomitee der Beitrittsgegner die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns), die er bis 2003 präsidierte. Im Abstimmungskampf um den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 war er der Wortführer der Gegner, welche die Abstimmung mit 50,3% Nein-Stimmen gewannen. Im Verlauf der 1990er Jahre integrierte die SVP (1991 11.9% Wähleranteil) unter Blochers Führung die meisten Anhänger von rechten Splitterparteien, die 1991 knapp 11% der Wählerstimmen ausmachten. Ab den 2000er Jahren positionierte Christoph Blocher die SVP als Wirtschaftspartei und baute ihre Wählerbasis auf Kosten der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) bzw. der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) weiter aus.
Nachdem die SVP die Sitzverteilung der Parteien im Bundesrat (Zauberformel) 1999 und 2002 vergeblich angegriffen hatte, forderte sie nach den eidgenössischen Wahlen 2003, aus der sie mit 26,7% Stimmenanteil erneut als Siegerin hervorging, einen zweiten Sitz in der Landesregierung. Mit Hilfe von Stimmen aus der FDP setzte sich Blocher am 10. Dezember 2003 im dritten Wahlgang mit 121 zu 116 Stimmen (absolutes Mehr 119) gegen die amtierende Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold (CVP) durch. Nach der Wahl übergab er die Unternehmensleitung der Ems-Chemie an seine Tochter Magdalena Martullo-Blocher. Schwerpunkte von Blochers Tätigkeit als Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) bildeten das Bundesgerichtsgesetz, die Änderung des Patentgesetzes sowie die Umsetzung der 2004 angenommenen «Verwahrungsinitiative». Er engagierte sich für die Privatisierung der Swisscom, für die Patentrechte von Pharmafirmen und gegen Parallelimporte von Medikamenten. Ein grosser Erfolg war die deutliche Annahme des verschärften Asylgesetzes und des revidierten Ausländergesetzes bei der Abstimmung im September 2006 (Asyl).
Entgegen dem Kollegialitätsprinzip engagierte sich Blocher auch als Bundesrat für parteipolitische Anliegen. Im Oktober 2006 kritisierte er etwa bei seinem Besuch in der Türkei die Rassismus-Strafnorm des schweizerischen Strafgesetzbuchs (Artikel 261bis) und unterstützte so das Anliegen der SVP einer Streichung des Paragrafen, indem er trotz anderslautender Haltung des Bundesrats eine Revision desselben in Aussicht stellte. Dieses Verhalten, aber auch seine Person wurden stark kritisiert. Für die Gesamterneuerung des Bundesrats 2007 mobilisierten die linken Fraktionen sowie Vertreterinnen und Vertreter der CVP eine breite Opposition gegen Blochers Wiederwahl. Er unterlag seiner Parteikollegin Eveline Widmer-Schlumpf mit 115 zu 125 Stimmen (absolutes Mehr 122). Letztere wurde zusammen mit Samuel Schmid aus der Partei ausgeschlossen, sodass die SVP fortan nicht mehr an der Regierung beteiligt war. 2008-2018 war Christoph Blocher Vizepräsident und Mitglied des Parteileitungsausschusses der SVP Schweiz. 2011 liess er sich erneut in den Nationalrat wählen; die Wahl in den Ständerat verpasste er im gleichen Jahr. 2014 trat Blocher zurück. Er war im Präsidium des von ihm 2013 gegründeten Komitees Nein zum schleichenden EU-Beitritt und trieb dessen Fusion 2022 mit der Auns und der Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt zur Vereinigung Pro Schweiz voran.
Blocher agiert auch als Medienunternehmer und Medienpolitiker. Seit den 1980er Jahren erwarb er zahlreiche regionale Zeitungen, so etwa 1986 das Bündner Tagblatt und 2010 die Basler Zeitung, und versuchte wiederholt, ein Medium mit nationaler Reichweite unter seine Kontrolle zu bringen. Während seiner politischen Karriere setzte er stets auf einen professionellen Umgang mit Medien, nutzte Formate wie die Fernsehsendung Arena, unterhielt als einer der ersten Politiker eine persönliche Webseite und verfügt seit 2007 mit Teleblocher über ein eigenes Fernsehformat. Christoph Blocher ist Kunstsammler und besitzt die grösste private Kollektion von Bildern Albert Ankers sowie zahlreiche Werke von Ferdinand Hodler. Er ist Präsident der Stiftung Schweizer Musikinsel Rheinau und seit 2001 Ehrenbürger von Lü.
Als Wortführer, Chefstratege der SVP und Nationalrat gelang es Christoph Blocher seit den 1990er Jahren, die innen- und aussenpolitische Agenda massgeblich zu bestimmen. Mit der emotionalen Besetzung von nationalmythologischen Bildern, seinem Kampf gegen angebliche «Heimatmüde» und dem aus der Geschichte abgeleiteten Topos «Anpassung oder Widerstand», den er in Bezug auf die Europäische Union und die UNO beschwor, reaktivierte der charismatische, rednerisch begabte Parteiführer eine Form der Geistigen Landesverteidigung, die über Jahrzehnte grosse Wirkungsmacht entfaltete. In der politischen Kommunikation setzte er neue Massstäbe mit teuren Kampagnen gegen einzelne Bevölkerungsgruppen. Er gilt als Vorreiter des Populismus in der Schweiz; dieser zeichnet sich dadurch aus, einen Gegensatz zwischen einem authentisch-souverän vorgestellten Volk und einer elitären «Classe politique» zu diagnostizieren, den das Volk überwinden müsse.