Museo Vincenzo Vela

Das Museo Vincenzo Vela ist eine in Ligornetto gelegene öffentliche Einrichtung, die ihre Entstehung dem 1892 der Schweizerischen Eidgenossenschaft vermachten Legat des Malers Spartaco Vela verdankt. 1898 als Museo Vela eröffnet, gehörte es zu den ersten Privatsammlungen, die in den Besitz des Bundes gelangten, und blieb lange Zeit das einzige öffentliche Museum im Tessin. Es wird vom Bundesamt für Kultur (BAK) geführt und finanziert. Untergebracht im herrschaftlichen Landhaus der Familie Vela, ist es das wichtigste Wohnhaus-Museum eines Bildhauers in der Schweiz und beherbergt eine der europaweit bedeutendsten und vollständigsten Skulpturensammlungen (Bildhauerei). Gebäude und umliegender Park bilden ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk.

Villa Vela, Aufriss der Hauptfassade (38,5 x 47,8 cm) und Grundriss des ersten Stocks (38,5 x 47,7 cm) von Cipriano Ajmetti, 1862, Chinatinte auf Papier (Museo Vincenzo Vela, Ligornetto, Inv. 5106 e 5104; Fotografien Francesco Girardi).
Villa Vela, Aufriss der Hauptfassade (38,5 x 47,8 cm) und Grundriss des ersten Stocks (38,5 x 47,7 cm) von Cipriano Ajmetti, 1862, Chinatinte auf Papier (Museo Vincenzo Vela, Ligornetto, Inv. 5106 e 5104; Fotografien Francesco Girardi). […]

Der aus Ligornetto stammende Bildhauer Vincenzo Vela lebte zunächst in der Lombardei und im Piemont und feierte als Künstler ausserordentliche Erfolge bei Publikum und Auftraggebern. Wohnhaft in Turin, kehrte er auf dem Höhepunkt seiner Karriere 1867 ins Tessin zurück, wo er sich auf dem Dorfhügel seines Heimatortes ein herrschaftliches Haus nach Plänen des Architekten Cipriano Ajmetti hatte errichten lassen. Das Projekt für die ursprünglich als Landsitz geplante Villa wurde von Ajmetti zusammen mit Vela grundlegend überarbeitet, nachdem der Künstler beschlossen hatte, Italien endgültig zu verlassen. Im Haus sollte nunmehr – neben den Kunstkollektionen der Familie – auch seine gesamte Gipsfigurensammlung Platz finden. Letzte Anpassungen erfuhr das Vorhaben durch den Tessiner Architekten Isidoro Spinelli, der den Bau ab 1862 leitete. Obwohl das Gebäude in seinem Baustil an die Sommerresidenzen des Mailänder Adels erinnert, stellte es mit seinem Innenausbau für eine dreifache Nutzung als Wohnhaus, Arbeitsatelier und Ausstellungsort ein Novum dar.

Il Museo di Vincenzo Vela von Antonio Bonamore. Xylografie von Giuseppe Barberis, erschienen in der Offiziellen Zeitung der Schweizerischen Landes-Ausstellung in Zürich, Nr. 19 und 20, 21. Juni 1883, S. 186-187 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern) und aktuelle Ansicht des zentralen Museumssaals (Museo Vincenzo Vela; Fotografie Mauro Zeni).
Il Museo di Vincenzo Vela von Antonio Bonamore. Xylografie von Giuseppe Barberis, erschienen in der Offiziellen Zeitung der Schweizerischen Landes-Ausstellung in Zürich, Nr. 19 und 20, 21. Juni 1883, S. 186-187 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern) und aktuelle Ansicht des zentralen Museumssaals (Museo Vincenzo Vela; Fotografie Mauro Zeni). […]

Nachdem sich der Künstler mit seiner Familie in Ligornetto niedergelassen hatte, wurde die Villa 1868 für das Publikum geöffnet. 1881 beauftragte Vela den befreundeten Architekten Augusto Guidini mit dem Bau eines Pförtnerhauses im Chaletstil; der eindrückliche Ort zog nämlich so viele Besucherinnen und Besucher an, dass ein Aufseher notwendig geworden war. Dass die Villa tatsächlich als privates Museum diente, belegt ein handschriftlicher Ausstellungskatalog, den Velas Ehefrau Sabina Vela-Dragoni und sein Sohn um 1880 verfassten.

In seinem im Februar 1892 verfassten Testament bedachte Spartaco, einziger Sohn und Erbe Vincenzo Velas, nach dem Willen seines kurz zuvor verstorbenen Vaters die Eidgenossenschaft mit dem Haus und den darin enthaltenen Sammlungen. Diese nahm das Legat im Januar 1896 an. Ein Jahr später starb Lorenzo Vela, Dekorationsbildhauer und älterer Bruder von Vincenzo Vela, dessen Schenkung ebenfalls an das 1898 eröffnete Museum ging. Der Bestand aus den drei Vela-Nachlässen umfasst Werke der Künstler, Arbeitsentwürfe und die von der Familie angelegten Kunstsammlungen, von denen die Gemäldegalerie und die einzigartige Sammlung zeitgenössischer Fotografien besonders zu erwähnen sind. Obwohl die Akquisition nicht zu den eigentlichen Aufgaben des Museums gehört, wurden im Lauf der Zeit einige Marmorstatuen Vincenzo Velas zugekauft und bildhauerische Arbeiten der drei Künstler, ihrer Mitarbeiter oder Schüler als Schenkungen aufgenommen.

Mit dem abnehmenden Interesse für den Realismus verlor auch das Museum an Bedeutung. Die Renovationen von 1913 und 1960-1961 hatten zur Folge, dass im Innern des Gebäudes fast alle Spuren der häuslichen Nutzung sowie der ursprünglichen Anordnung der Werke verschwanden. Als Velas Schaffen ab den 1970er Jahren neu bewertet wurde, liess das BAK die Institution 1978 sowie 1983-1987 wiederbeleben und modernisieren. 1997-2001 erfolgte die letzte und prägnanteste Erneuerung nach Plänen des Architekten Mario Botta. Parallel dazu veranlasste die Museumsleitung die möglichst getreue Wiederherstellung der einstigen Ausstellungsanordnung der Bestände, vor allem im achteckigen zentralen Raum. Rundum werden die nach Themen geordneten Hauptwerke der einzelnen Sammlungen gezeigt, die nicht nur die künstlerische Qualität von Vincenzo Velas Arbeiten, sondern auch den schöpferischen Prozess und die verwendeten Materialien illustrieren.

Das Museum versteht sich als Kompetenzzentrum für die Erforschung der Arbeiten von Lorenzo, Vincenzo und Spartaco Vela, gibt regelmässig Studien über die Künstler und ihr historisches Umfeld heraus und beherbergt eine Fachbibliothek. Seit 2001 verfolgt es eine systematische Ausstellungstätigkeit mit den Schwerpunkten Skulptur des 19. bis 21. Jahrhunderts und Fotografie des 19. Jahrhunderts. Jede Ausstellung wird von einem mehrsprachigen wissenschaftlichen Katalog begleitet. Vor allem mit seiner Kulturvermittlung, die ein vielfältiges Publikum anspricht, hat sich das Museum einen Namen gemacht. Als eine der ersten schweizerischen Institutionen beschäftigt es seit 2004 im Rahmen seiner Integrationsbemühungen Migrantinnen und Migranten, Asylsuchende, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Demenzbetroffene, wofür es 2019 als erstes Museum im Tessin das Label Kultur inklusiv der Stiftung Pro Infirmis erhielt.

Museo Vincenzo Vela, Südansicht mit dem Pförtnerhaus von Augusto Guidini (links) sowie Luftaufnahme (Museo Vincenzo Vela; Fotografien von Mauro Zeni und Matteo Caccivio).
Museo Vincenzo Vela, Südansicht mit dem Pförtnerhaus von Augusto Guidini (links) sowie Luftaufnahme (Museo Vincenzo Vela; Fotografien von Mauro Zeni und Matteo Caccivio). […]

Der Park war von Anbeginn ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtanlage. Wen Vincenzo Vela mit der Gartengestaltung beauftragte, ist nicht bekannt, doch lässt die räumliche Dreiteilung auf eine erfahrene Leitung schliessen. Die ursprüngliche Charakteristik des Parks, der im Verbund Grandi giardini italiani figuriert, wurde auch nach seiner Sanierung 2011 beibehalten und der biologischen Vielfalt wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Auf dem terrassierten Rasen finden Ausstellungen im Freien und Kulturveranstaltungen unterschiedlicher Art statt.

Quellen und Literatur

  • Museo Vincenzo Vela, Ligornetto.
  • Schweizerisches Bundesarchiv, Bern, Vincenzo Vela.
  • Celio, Cornelia: La casa museo di Vincenzo Vela a Ligornetto, Dissertation, Università degli Studi di Firenze, 1995.
  • Mina, Gianna A. (Hg.): Casa d’artisti. Quaderni del Museo Vela, 1997-.
  • Canavesio, Walter: «L’edificio (dal 1862 al 1919)», in: Mina, Gianna A.: Museo Vela, le collezioni. Scultura, pittura, grafica, fotografia, 2002, S. 25-35.
  • Celio Binaghi, Cornelia; Gubler, Jacques et al.: «Il Museo Vela a Ligornetto», in: Archi. Rivista svizzera di architettura, ingegneria e urbanistica, 2002/3, S. 10-23.
  • Mina, Gianna A.: «L’atelier dell’artista come opera d’arte. La casa-museo Vincenzo Vela a Ligornetto», in: Guderzo, Mario (Hg.): Gli ateliers degli scultori. Atti del secondo convegno internazionale sulle gipsoteche, Possagno, 24-25 ottobre 2008, 2010, S. 249-259 (Quaderni del Centro Studi Canoviani, 8).
  • Mina, Gianna A.: «La casa e l’atelier dell’artista. Un autoritratto "a futura memoria"», in: Kunst + Architektur, 66/1, 2015, S. 12-15.
  • Wasmer, Marc-Joachim: Museo Vincenzo Vela in Ligornetto, 2020 (Schweizerische Kunstführer, 1070).
  • Mina, Gianna A. (Hg.): Pagine che parlano. La vita e l’arte di Vincenzo Vela raccontate dai suoi libri, 2021.

Zitiervorschlag

Gianna A. Mina: "Museo Vincenzo Vela", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.07.2022, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/059944/2022-07-05/, konsultiert am 20.03.2025.