21.4.1901 Villeret, 30.10.1994 Genf, reformiert, von La Ferrière. Genfer Gewerkschafterin, Vorkämpferin für die Lohngleichheit von Mann und Frau, Mitgründerin der Partei der Arbeit und Pazifistin.
Lise Louisa Vuille stammt aus einer Uhrmacherfamilie; sie war die Tochter des Berthold Alcide Vuille, Uhrmachers, aktiven Sozialdemokraten sowie Gewerkschafters, und der Emma geborene Kneuss, Hausfrau sowie später Verkäuferin. Sie wuchs in La Chaux-de-Fonds zusammen mit vier Geschwistern auf. Nach dem Besuch der Primar- und einer Handelsschule (1907-1916) arbeitete sie 1916 zusammen mit ihrem Vater und trat noch im selben Jahr in die Uhrmacherschule von La Chaux-de-Fonds ein (Uhrenindustrie), in der sie eine Ausbildung zur Feinstellerin absolvierte, die damals Frauen vorbehalten war. Dass diese Lehre nur zwei Jahre dauerte, während die Ausbildung der männlichen Lehrlinge vier Jahre in Anspruch nahm, stellte für die junge Frau eine inakzeptable Ungleichbehandlung dar. 1918 zog Louisa Vuille mit ihrer Familie nach Genf, wo sie als Uhrenarbeiterin tätig war, zuerst zusammen mit ihrem Vater, dann bis 1968 für verschiedene Genfer Manufakturen (ab 1929 vor allem für Rolex). 1932 heiratete sie den kaufmännischen Angestellten Alfred Lamouille, von dem sie sich 1944 wieder scheiden liess. Das Paar blieb kinderlos.
Vuille trat 1916 den Jungsozialisten (Jungparteien) und 1918 dem Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverband (Smuv; Gewerkschaft Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen) bei, dessen Zentralpräsident Konrad Ilg 1917-1945 war. Die unsichere wirtschaftliche Lage der Uhrenindustrie während des Ersten Weltkriegs, die sich in einer allgemeinen Verschlechterung der Lebensbedingungen und grossen Unterschieden zwischen den Männer- und den Frauenlöhnen niederschlug, bewog Vuille dazu, sich politisch zu engagieren. Sie war ab 1933 Mitglied der Frauensektion der Genfer Sozialdemokratischen Partei (SP) und des Frauenkomitees gegen Krieg und Faschismus (Antifaschismus). 1941 bis 1943 lebte sie getrennt von ihrem Mann in Annemasse, wo sie Briefe für die französische Résistance übermittelte. 1943 nach Genf zurückgekehrt, zählte sie 1944 zu den Gründungsmitgliedern der Schweizerischen Partei der Arbeit (PdA). Als erste Präsidentin der Uhrmachergruppe des Smuv – dieses Amt bekleidete sie 1947-1952 – sah sie sich mit Diskriminierungen und Anfeindungen vonseiten männlicher Gewerkschafter konfrontiert. Vuille war in zahlreichen Organisationen der Frauenbewegung und der Linken aktiv und engagierte sich für die Einführung des Frauenstimmrechts, die Anerkennung der Frauenerwerbsarbeit und die Lohngleichheit. Die Pazifistin nahm 1949 am Weltkongress der Friedensstifter in Paris teil und schloss sich der schweizerischen Friedensbewegung (Pazifismus) an.
Nachdem 1961 das Frauenstimmrecht und das passive Wahlrecht für Frauen in Genf angenommen worden waren, wurde Louisa Vuille Abgeordnete der PdA im Genfer Grossen Rat, dem sie bis 1968 angehörte. In diesem fiel sie vor allem durch ihren Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen von Lehrlingen und Jugendlichen sowie im Kampf gegen tiefe Löhne auf. 1971-1978 gehörte sie dem Gemeinderat (Legislative) von Vernier an, den sie 1975 präsidierte. Nach ihrer Pensionierung arbeitete Vuille im Genfer Verband der Seniorenclubs und Seniorenverbände mit. 1974-1977 und 1980 leitete sie diesen als Präsidentin. In Genf wurde eine Strasse nach der Pionierin der Frauen- und Arbeiterbewegung benannt.