12.12.1910 Genf, 14.8.1999 Genf, reformiert, von La Chaux-de-Fonds, Le Locle und Les Planchettes, nach der Heirat von Thundorf. Gynäkologin, Geburtshelferin und Vorkämpferin für das Recht auf Abtreibung in Genf.
Gabrielle Perret-Gentil war die älteste von zwei Töchtern des Kaufmanns Edouard Perret-Gentil und der Verkäuferin Gabrielle geborene Bouvard. Von ihrer Familie zum Besuch des Collège Calvin ermutigt, legte sie 1927 als einziges Mädchen ihrer Klasse die klassische Matura ab. Sie studierte anschliessend Biologie (Lizenziat 1932) und Medizin (Staatsexamen 1935) an der Universität Genf und promovierte 1937 in Medizin an der Universität Zürich. Im selben Jahr heiratete sie Max Tuchschmid, den Direktor der Wäscherei Les Epinettes und Sohn des Gustav Arnold Tuchschmid und der Lina Frieda geborene Naef. Das Paar hatte zwei Söhne und liess sich 1942 scheiden. Als Assistenzärztin in verschiedenen Krankenhäusern der Schweiz lernte sie die ausschliesslich männliche Welt der Chirurgie kennen und musste zahlreiche Vorurteile überwinden, um selbst Operationen durchführen zu können. 1943-1945 arbeitete Perret-Gentil in Entbindungskliniken in Deutschland, wo sie aufgrund des kriegsbedingten Ärztemangels umfassend praktizieren und Erfahrungen sammeln konnte. Nach ihrer Rückkehr eröffnete sie in Genf eine eigene Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Als Gynäkologin setzte sie sich für die Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb eines definierten gesetzlichen Rahmens ein, um heimliche illegale Abbrüche zu vermeiden. Das Schweizerische Strafgesetzbuch erlaubte Abtreibungen damals nur, wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr war. Neben den gesundheitlichen Risiken machte Perret-Gentil Ärzteschaft und Öffentlichkeit auch auf die psychologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen von ungewollten Schwangerschaften aufmerksam. Zusammen mit dem Arzt Orphée Christev eröffnete sie 1956 die Klinik Vert-Pré in Chêne-Bougeries, um chirurgische Eingriffe, Entbindungen und Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu können. Sie beschäftigte sich in ihrem 1968 veröffentlichten Buch Avortement et contraception (Abtreibung und Empfängnisverhütung) mit der Geschichte der Abtreibung sowie mit moralischen und rechtlichen Aspekten und setzte sich für die Sexualerziehung ein. Damit bewegte sie sich im Kielwasser der Frauenbefreiungsbewegung (FBB), die gegen die Kontrolle des weiblichen Körpers und für eine freie Wahl kämpfte. Perret-Gentil verfasste zudem einige Romane sowie ein vom Leben Henry Dunants inspiriertes Theaterstück. Zehn Jahre nach dem Tod der progressiven Ärztin wurde in Genf 2009 eine Strasse nach ihr benannt. Dieser Entscheid führte wegen der Debatte um den Schwangerschaftsabbruch und ihrer Zeit im nationalsozialistischen Deutschland jedoch zu Kontroversen.