20.11.1907 Winterthur, 15.5.2011 Bern, reformiert, von Winterthur. Krankenschwester und während des Zweiten Weltkriegs Mitarbeiterin der Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes sowie Leiterin von Kinder- und Jugendheimen in Südfrankreich.

Emma (genannt Emmi) Ott war das zweitälteste von acht Kindern des Emil Albert Ott, Rangierarbeiters, und der Hausfrau Marie Barbara geborene Schwenk. Da eine Berufsausbildung aufgrund der bescheidenen finanziellen Verhältnisse der Familie nicht infrage kam, arbeitete Emma Ott nach der Sekundarschule als Haushaltshilfe. Zwischen 1921 und 1932 war sie bei verschiedenen Arbeitgebern – meist Pfarrfamilien – tätig, zunächst in Winterthur, später in Schönenwerd, Luzern, Rapperswil und St. Moritz. 1928 half sie einige Wochen als Freiwillige des Service civil international beim Kultivieren des Ackerlands nach einer Überschwemmungskatastrophe in Liechtenstein. Die Autodidaktin Ott sprach fliessend Französisch, gut Englisch sowie etwas Italienisch. Sie las viel (u.a. die Werke von Leonhard Ragaz) und setzte sich, unterstützt von ihren Arbeitgeberfamilien, mit sozialen und politischen Fragen auseinander. So erfuhr sie auch von der Tätigkeit des Arztes Albert Schweitzer und dessen Ehefrau Helene Schweitzer-Bresslau im «Urwaldspital» von Lambarene in Französisch-Äquatorialfrika und entschied sich, Krankenschwester zu werden.
Nach ihrer Lehre an der Bernischen Pflegerinnenschule Engeried 1932-1935 und einem Pflichtjahr am gleichnamigen Spital reiste Ott 1937 nach Lambarene, wo sie für die Krankenpflege verantwortlich war. Bereits Anfang 1939 musste sie jedoch wieder in die Schweiz zurückkehren, um ihre gesundheitlich angeschlagene Mutter zu unterstützen. Sie nahm eine Stelle im Spital Tiefenau in Bern an und wurde nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1940 Sanitätsschwester des Frauenhilfsdiensts. Mit Albert Schweitzer und den Schwestern von Lambarene blieb sie ihr Leben lang in Kontakt.

Erschüttert vom kriegsbedingten Elend in den Nachbarländern reiste Ott Ende Mai 1942 nach Südfrankreich, wo sie als Angestellte der Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) die spanischen, katalanischen und jüdischen Gefangenen in den Internierungslagern des Vichy-Regimes in Gurs und Rivesaltes nördlich der Pyrenäen betreute (Humanitäre Hilfe, Antisemitismus). Sie verfasste einen Bericht zuhanden der Zentrale der Kinderhilfe in Toulouse über die erste Deportation jüdischer Kinder und Erwachsener in die deutschen Vernichtungslager im August 1942; zahlreiche von ihnen rettete sie – entgegen der offiziellen Direktive des SRK – vor dem «Weg nach Osten». Im Herbst 1943 übernahm Ott als Nachfolgerin Rösli Näfs die Leitung des Kinder- und Jugendheims im Schloss La Hille bei Toulouse, von wo mehrere Internierte unter dramatischen Umständen vor den Deportationen flüchteten. 1945 wurde sie nach Montagnac nahe Montpellier verlegt, um die von Elisabeth Eidenbenz gegründete Maternité Suisse d’Elne zu leiten. Nach Kriegsende übertrug das SRK die Verwaltung der Maternité an die Schweizer Spende an die Kriegsgeschädigten, in deren Auftrag Ott Anfang 1946 den Umzug des Heims nach Pau im Südwesten Frankreichs organisierte, bevor sie im Mai desselben Jahres nach Bern zurückkehrte.
Bis zu ihrer Pensionierung 1972 arbeitete Emma Ott, die ledig und kinderlos blieb, als Oberschwester im Spital Tiefenau und gründete einen Chor, den sie bis zu ihrem hundertsten Geburtstag leitete. Sie hielt zeitlebens die Korrespondenz mit den ehemaligen Mitarbeitenden der Kinderhilfe aufrecht, deren regelmässige Zusammenkünfte sie organisierte. Für ihr humanitäres Engagement erhielt die bescheidene, meist im Hintergrund wirkende Emma Ott bis anhin keine Ehrungen.