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Friedrich LudwigEscher

21.8.1779 Zürich, 13.12.1845 Plantage Buen Retiro bei Artemisa, reformiert, auf Kuba möglicherweise zum Katholizismus übergetreten, von Zürich. Unternehmer sowie Plantagen- und Sklavenbesitzer.

Friedrich Ludwig Escher, genannt Fritz, war das vierte von neun Kindern und der dritte Sohn des Bankiers, Offiziers und Grosskaufmanns mit Geschäftstätigkeit im Sklavenhandel (Sklaverei) Hans Caspar Escher (1755-1831) und der Anna Keller vom Steinbock, Bruder von Heinrich und Ferdinand Escher sowie Onkel des Alfred Escher. Sein Vater musste Zürich nach einem Bankrott verlassen und emigrierte 1789 nach Russland. 1798 reiste ihm Friedrich Ludwig Escher nach, später gefolgt von seinem Bruder Ferdinand (Auswanderung). Hans Caspar Escher warb andere Schweizer Auswanderer für eine Kolonie an. Seine beiden Söhne wählten einen Mittelweg zwischen Militär- und Handelskarriere (Fremde Dienste, Handel) und betätigten sich ebenfalls als Auswanderungsagenten. Trotz Zuwendungen von ihrem Bruder Heinrich Escher und der Unterstützung vom russischen Staat geriet das Auswanderungsunternehmen für die Siedler und Siedlerinnen zur Katastrophe und für die Eschers zu einem finanziellen Fehlschlag. 1815 wurden Friedrich Ludwig und Ferdinand Escher verhaftet und des illegalen Handels angeklagt. Nach ihrer Entlassung 1819 reisten sie unerkannt über Zürich nach Kuba, wo sie 1820 oder 1821 eintrafen. Dort erwarben sie vermutlich 1821 von Hans Heinrich Stouder (Studer) aus Winterthur sowie einem zweiten Besitzer (möglicherweise Martin Stouder) die Kaffeeplantage Buen Retiro bei Artemisa.

Ausschnitt aus Blatt 2 der Karte Carta geografo topográfica de la isla de Cuba mit eingezeichneter Kaffeeplantage Friedrich Ludwig Eschers (rot markiert). Mappe mit sechs auf Leinen montierten Blättern, Zeichnung von Carlos Roca, Kupferstich von Domingo Estruch, Barcelona, 1835, 127 x 67 cm (Instituto Geográfico Nacional, Madrid, ES-MaIGN).
Ausschnitt aus Blatt 2 der Karte Carta geografo topográfica de la isla de Cuba mit eingezeichneter Kaffeeplantage Friedrich Ludwig Eschers (rot markiert). Mappe mit sechs auf Leinen montierten Blättern, Zeichnung von Carlos Roca, Kupferstich von Domingo Estruch, Barcelona, 1835, 127 x 67 cm (Instituto Geográfico Nacional, Madrid, ES-MaIGN).

Die Zeit zwischen 1815 und 1825 war eine Epoche grösster Nachfrage nach Kaffee in Europa und Nordamerika (Überseehandel). Für Schweizer und andere Einwanderer mit Beziehungen, die aus dem kriegsversehrten Europa kamen und Geld verdienen wollten, eröffnete die damalige Kaffee-Insel lukrative Geschäftsmöglichkeiten (Kolonialismus). Die Plantage Buen Retiro gehörte zu den kleineren Plantagen der Region, doch war sie, auch wegen der Nähe zu anderen Kaffeeplantagen und gemeinsamer Transportmöglichkeiten zu den Häfen Havanna und Mariel, einträglich. In der Kaffeeproduktion waren erfahrene Sklaven und Sklavinnen gefragt, auch wurden viele versklavte Kinder eingesetzt. Um 1822 arbeiteten auf Buen Retiro 82 Feldsklaven und Feldsklavinnen sowie fünf Haussklavinnen. Während Ferdinand Escher 1826 nach Zürich zurückkehrte, blieb Friedrich Ludwig Escher auf Kuba. Er lebte auf der Plantage sowie im nahegelegenen Artemisa und beschäftigte ab 1839 einen Verwalter namens Heinrich (Enrique) Steiner, führte den Betrieb aber selbst. Bis zu seinem Tod 1845 hatte er sowohl im Management und Absatz seiner Produkte, als auch in der Erhaltung und Weiterentwicklung der Anlage Erfolg.

Auszug aus der Schätzliste (tasación) über das Eigentum Friedrich Ludwig Eschers, erstellt 1846 auf Kuba (Archivo Nacional de Cuba, Havanna, Fondo de Bienes de Difuntos, Escribanía de Cámera del Juzgado general de Bienes de Difuntos de la Real Audiencia Pretorial, del Licenciado D. Miguel F. de Porto, legajo 80, no. 1398. Testamentaria de D. Federico Luis Escher natural de Zurich en Suiza, Habana y Diciembre 23 de 1845, fol. 35v-37r.; Scan Michael Zeuske).
Auszug aus der Schätzliste (tasación) über das Eigentum Friedrich Ludwig Eschers, erstellt 1846 auf Kuba (Archivo Nacional de Cuba, Havanna, Fondo de Bienes de Difuntos, Escribanía de Cámera del Juzgado general de Bienes de Difuntos de la Real Audiencia Pretorial, del Licenciado D. Miguel F. de Porto, legajo 80, no. 1398. Testamentaria de D. Federico Luis Escher natural de Zurich en Suiza, Habana y Diciembre 23 de 1845, fol. 35v-37r.; Scan Michael Zeuske). […]

In Eschers Testament von 1845 werden insgesamt 86 «Sklaven beider Geschlechter» erwähnt; in der zum Testament gehörenden Inventarliste finden sich die Namen von 85 Versklavten, wobei für die Kreolsklavinnen und Kreolsklaven (criollas und criollos, d.h. auf Kuba, eventuell auf Buen Retiro geborene Menschen) auch das Alter angegeben wird. Ein weiteres, für die Forschung aufschlussreiches Dokument in der Akte von Friedrich Ludwig Escher ist die im Jahr 1846 nach seinem Tod erstellte Schätzliste (tasación) des gesamten Eigentums. Sie umfasst das Land mit allen Gebäuden und Nebengebäuden, das Herrenhaus, Geräte und Werkzeuge, Kulturpflanzen, Ernteerträge, Tiere, das Stadthaus in Artemisa samt dazugehörigem Boden – sowie auf gleicher Ebene mit diesen Besitztümern die versklavten Männer, Frauen und Kinder. Das Stadthaus mit Grundstück in Artemisa vermachte Escher seinem Verwalter. Das übrige Eigentum Friedrich Ludwig Eschers im Wert von 39'897 Silberpesos – fast die Hälfte davon bestand im geschätzten Marktwert der versklavten Menschen – ging an Heinrich Escher in Zürich. Zwei Versklavte entliess Escher in die Freiheit: Serafina, in den Quellen als Wäscherin, das heisst als Haussklavin ausgewiesen und zum Zeitpunkt von Eschers Tod 21 Jahre alt, sowie ihre im Juni 1845 getaufte Tochter Albertina Escher. Die Forschung geht davon aus, dass Escher sichtbar für alle, aber formal heimlich, sexuelle Kontakte mit seiner Sklavin hatte und der Vater von Albertina war, auch wenn er sie nicht legitimierte. Die Vaterschaft ist jedoch nicht restlos geklärt. Serafina starb 1846. Friedrich Ludwig Escher wurde wahrscheinlich in Artemisa begraben; sein Grab existiert nicht mehr.

Quellen und Literatur

  • Archivo Nacional de Cuba, Havanna, Protocolos Cayetano Pontón, Bd. 2, 1821.
  • Archivo Nacional de Cuba, Havanna, Gobierno Superior Civil, legajo 875, no. 29551, 1823.
  • Archivo Nacional de Cuba, Havanna, Escribanía de Varios, legajo 921, no. 17360, 1843, Hood Clement (Guillermo), Competencia sobre conocer de los autos seguidos por D. Pedro Blanco contra Guillermo Hood Clement en cobro de pesos.
  • Archivo Nacional de Cuba, Havanna, Fondo de Bienes de Difuntos, Escribanía de Cámera del Juzgado general de Bienes de Difuntos de la Real Audiencia Pretorial, del Licenciado D. Miguel F. de Porto, legajo 80, no. 1398, Testamentaria de D. Federico Luis Escher natural de Zurich en Suiza, Habana y Diciembre 23 de 1845.
  • Archivo Nacional de Cuba, Havanna, Protocolos de Juan de Requeyra, Bd. 3 (268), 1875, Fol. 1667r-1683r, Division y adjudicacion de bienes D.a Ysabel Laroque y herederos de D. Henrique Gatke.
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Kurzinformationen
Variante(n)
Federico Luis Escher
Fritz Escher (Übername)
Lebensdaten ∗︎ 21.8.1779 ✝︎ 13.12.1845

Zitiervorschlag

Michael Zeuske: "Escher, Friedrich Ludwig", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.08.2024. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/061680/2024-08-26/, konsultiert am 10.10.2024.