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UrsulaBrunner

* 7.1.1925 Frauenfeld, + 23.3.2017 Frauenfeld, reformiert, von Zürich. Pfarrfrau, freisinnige Thurgauer Politikerin und Fair-Trade-Pionierin.

Porträt von Ursula Brunner. Fotografie, um 1990 (Staatsarchiv Thurgau, Frauenfeld, Thurgauer Frauenarchiv, F 1'23).
Porträt von Ursula Brunner. Fotografie, um 1990 (Staatsarchiv Thurgau, Frauenfeld, Thurgauer Frauenarchiv, F 1'23).

Ursula Storz wuchs als Tochter des Brauereiunternehmers Otto Storz und der Hausfrau Frieda geborene Beerli in einem sozialliberalen Elternhaus in Frauenfeld auf. Nach der Matura 1943 an der Kantonsschule Frauenfeld begann sie ein Medizinstudium in Genf, das sie 1946 abbrach. Im gleichen Jahr heiratete sie den Pfarrer Eugen Brunner. Zwischen 1949 und 1962 gebar sie acht Kinder. Die Pfarrersfamilie lebte in Frauenfeld, Emmenbrücke, Schöftland und Zürich, wo sich ihr Mann 1958 zwischenzeitlich als Fabrikarbeiter anstellen liess. 1966 kehrte sie nach Frauenfeld zurück, wo Ursula Brunner vermehrt Aufgaben in der Kirchgemeinde wahrnahm.

Nach einer von ihr 1972 organisierten Vorführung des Films Bananera Libertad von Peter von Gunten begann eine Gruppe von Teilnehmerinnen, sich intensiv und zunehmend professionell mit den schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen von Bananenplantagenarbeiterinnen und -arbeitern sowie deren Familien in Zentralamerika und mit dem globalen Bananenhandel zu beschäftigen (Globalisierung). Eine vom Schweizer Fernsehen aufgezeichnete Aktion der nunmehr «Bananenfrauen» genannten Gruppe, die mit Informationsmaterial und Leiterwagen voller Bananen im Oktober 1973 in der Stadt Frauenfeld auf die tiefen und für die Produzierenden nachteiligen Preise von Grossverteilern wie der Migros aufmerksam machten, erzeugte grosse Resonanz und markiert den Auftakt zur Fair-Trade-Bewegung in der Schweiz (Dritte Welt, Dekolonisation). 1976 unternahm Ursula Brunner ihre erste von schliesslich über zwanzig Reisen nach Zentralamerika. Sie verstand es, als Schweizer Bürgerin ohne Handelsfirma im Rücken in verschiedenen zentralamerikanischen Ländern ein persönliches Netzwerk aufzubauen und Kontakte zur Unión de Países Exportadores de Banano (Ubep) zu knüpfen.

Ursula Brunner und die Frauenfelder «Bananenfrauen» im Beitrag Ausgefallene Entwicklungshilfe-Idee der Sendung Antenne im Fernsehen der deutschen Schweiz vom 22. Oktober 1973 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF).
Ursula Brunner und die Frauenfelder «Bananenfrauen» im Beitrag Ausgefallene Entwicklungshilfe-Idee der Sendung Antenne im Fernsehen der deutschen Schweiz vom 22. Oktober 1973 (Schweizer Radio und Fernsehen, Zürich, Play SRF).

Trotz zahlreicher Rückschläge gelang es der Gruppe, 1986 die ersten fair produzierten Bananen aus Nicaragua in die Schweiz zu importieren. Privat hatte Ursula Brunner eine ganze Reihe schwerer Schicksalsschläge zu verkraften. Zudem geriet sie in den Auseinandersetzungen mit den grossen Handelskonzernen, aber auch im heimischen Thurgau wiederholt öffentlich in die Kritik. So beanstandete die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) des Kantons, für die sie 1975-1976 und 1978-1984 im Grossen Rat sass, ihre aktive Rolle bei den Frauen für den Frieden (Pazifismus), insbesondere bei einem Friedenscamp anlässlich der Wehrschau 1982 in Frauenfeld, und entzog ihr das Vertrauen. 1988 wurde aus dem losen Zusammenschluss der «Bananenfrauen» der Verein Gebana, 1998 folgte die Umwandlung in die Aktiengesellschaft Gebana AG, deren Verwaltungsrat Ursula Brunner bis 2003 angehörte. Sie blieb auch im hohen Alter für das «Beispiel Bananen» aktiv. Ihr Engagement verstand sie umfassend, als Wirken für eine gerechtere Weltordnung in einem christlichen Sinn. 2003 erhielt sie den K.H. Gyr-Preis der Landis & Gyr-Stiftung, 2013 gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen den Anerkennungspreis der Stadt Frauenfeld.

Quellen und Literatur

  • Brunner, Ursula; Pfeifer, Rudi: Zum Beispiel Bananen, 1990.
  • Brunner, Ursula: Bananenfrauen, 1999.
  • Verein Thurgauerinnen gestern – heute – morgen (Hg.): Bodenständig und grenzenlos. 200 Jahre Thurgauer Frauengeschichte(n), 1998.
Weblinks
Normdateien
GND
VIAF

Zitiervorschlag

Nathalie Kolb Beck: "Brunner, Ursula", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 06.01.2025. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/061938/2025-01-06/, konsultiert am 24.01.2025.