1819, 1858 Val-d’Illiez, katholisch, von Val-d’Illiez. Hebamme, während den politischen Auseinandersetzungen zwischen den Liberal-Radikalen und den Konservativen im Wallis 1845-1848 mit einem Berufsverbot belegt.

Hélène Rey wuchs als Tochter des Landarbeiters Jean-Maurice Rey in einem bäuerlichen Umfeld auf. Mit Erreichen der Volljährigkeit verliess sie das Elternhaus. Sie blieb unverheiratet und hatte keine Kinder. 1842 schickten sie die liberalen Gemeindebehörden von Val-d'Illiez nach Martigny, um sich beim Arzt und späteren Staatsrat der Liberalen, Maurice Claivaz, zur Hebamme ausbilden zu lassen. Der über die drei Wintermonate stattfindende Unterricht stützte sich vermutlich auf die Lehrbücher von Mathias Mayor und richtete sich an Frauen, die lesen und schreiben konnten. Bis dahin hatten vornehmlich Geistliche die Unterweisung von Geburtshelferinnen übernommen, die zugleich die Befugnis hatten, den Kandidatinnen das für die Berufsausübung notwendige Leumundszeugnis auszustellen. Im Fall von Rey lag diese Kompetenz beim Prior von Val-d'Illiez, Jean Joseph Gillabert, welcher die politisch liberal gesinnte Frau mangelnder Moral bezichtigte und ihr unterstellte, sich aus eigenem Antrieb für den Besuch des Ausbildungskurses entschieden zu haben. Obwohl die Gemeinderäte (Exekutive) sich zu ihrem Entscheid bekannten, händigte ihr das kantonale Innendepartement nur ein bedingtes Berufspatent aus und stellte sie unter Aufsicht der politischen und kirchlichen Behörden.
Als die Konservativen 1844 im Kanton die Oberhand gewannen (Konservatismus), wiederholte der Prior mit Unterstützung der neuen Gemeindebehörden seine Anschuldigungen, worauf der Staatsrat Hélène Rey das Hebammenpatent am 10. Juni 1845 entzog. Der Gemeinderat forderte ihren Wegzug aus Val-d'Illiez und reichte am 25. März 1846 Klage wegen «Lüsternheit» und Kindsmord gegen sie ein. Rey bestritt alle Vorwürfe und nahm sich einen Anwalt, um gerichtlich angehört zu werden. Während des Prozesses vor dem Zendengericht in Monthey vom 16. April bis zum 4. August 1847 erbrachte keiner der 13 Zeugen einen stichhaltigen Beweis für ihre «Sittenlosigkeit». Eine Urteilsverkündung fand jedoch nicht statt, da das Verfahren wegen des Sonderbundskriegs unterbrochen werden musste. Ende 1848 konnte Reys Anwalt in einem Schreiben an den Staatsrat nachweisen, dass der Patententzug aus politischen Motiven erfolgt war; die konservativen Gemeinderäte und der Prior hatten auf diese Weise mit den Liberalen (Liberalismus) abgerechnet, deren Überzeugungen Rey teilte. Daraufhin händigte ihr die neue, liberal-radikale Kantonsregierung von 1848 das Patent wieder aus.
Hélène Reys Geschichte widerspiegelt die Erfahrungen von Menschen, insbesondere Frauen, die in die politischen Wirren im Wallis der 1840er Jahre gerieten. Als Hebamme stand sie unter Aufsicht der Ärzteschaft, des Staatsrats sowie der kirchlichen Autoritäten und sie bezahlte ihre Offenheit für liberale Ideen mit einem Berufsverbot. Ihre Rehabilitierung ist allerdings nicht nur auf die Rückkehr der Liberal-Radikalen in die Regierung zurückzuführen, sondern auch auf das Ansinnen des Kantons, jede Gemeinde mit einer ausgebildeten Hebamme zu versehen.