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MelchiorGrübel

um 1500 St. Gallen, um 1561 Venezuela, reformiert, von St. Gallen. St. Galler Söldner, Händler und Leiter einer Handelsniederlassung der Welser sowie Konquistador in Venezuela.

Melchior Grübel wuchs als Sohn des Stephan Grübel in einer wohlhabenden St. Galler Handelsfamilie auf. Sein Vater betrieb mit Verwandten eine Handelsgesellschaft und bekleidete hohe städtische Ämter; 1445 hatten sein Vater und sein Onkel Hans Grübel von Kaiser Friedrich III. einen Wappenbrief erhalten. Der Schaffhauser Humanist Sebastian Grübel war ein naher Verwandter. Über Melchior Grübels Kindheit und Jugendjahre ist nichts bekannt. Später wurde er im Leinwandhandel tätig (Leinwand) und Mitglied in der Gesellschaft zum Notenstein. Er heiratete Katharina von Vonbühl (auch Katharina Vonwiller genannt), mit der er vermutlich vier Kinder hatte, und besass ein Wohnhaus an der Spisergasse; die beiden liessen sich 1552 scheiden.

Eintrag zu Melchior Grübel im Steuerbuch der Stadt St. Gallen, 1527. Tinte auf Papier (Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St. Gallen, Altes Archiv, Bd. 276, Fol. 17v).
Eintrag zu Melchior Grübel im Steuerbuch der Stadt St. Gallen, 1527. Tinte auf Papier (Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St. Gallen, Altes Archiv, Bd. 276, Fol. 17v). […]

Grübel nahm 1531 als städtischer Kriegsrat am Zweiten Kappelerkrieg teil. 1534 erhielt er von der St. Galler Obrigkeit die Erlaubnis, als Söldner in die Dienste des Freiherrn Georg von Hewen zu treten (Fremde Dienste). Stattdessen reiste er jedoch – womöglich im Auftrag des oberdeutschen Handelshauses der Augsburger Patrizierfamilie Welser – in die Karibik und hielt sich ab 1535 in der an die Welser verpfändeten Kolonie Klein-Venedig (Venezuela) auf (Kolonialismus), vermutlich mit seinem unehelichen Sohn Leonhard. Diese und weitere Fragen lassen sich aufgrund fehlender Quellen nicht abschliessend klären. In der Kolonie arbeitete er als bevollmächtigter Leiter einer Handelsniederlassung (Faktor) der Welser (HandelsgesellschaftenÜberseehandel) und vertrat diese in Gerichtsverfahren. Grübel war ein Bekannter von Hieronymus Sailer, der als Unterhändler der Welser 1528 Vereinbarungen zwischen dem Handelshaus und König Karl V. mitunterzeichnete; möglicherweise hatte ihm Sailer die entsprechenden Kontakte vermittelt. Grübel nahm als Konquistador an Expeditionen ins Landesinnere teil. 1541 sandte er zum letzten Mal nachweislich Geld an die in St. Gallen verbliebenen Familienmitglieder, später ist kein Kontakt mit seiner Heimatstadt mehr belegt.

La Ciuda del Toquio. Ansicht der von Melchior Grübel mitgegründeten Stadt und des Tals von El Tocuyo, 1579. Zeichnung, Tinte auf Papier, 50,5 x 98 cm (Real Academia de la Historia, Madrid, C-028-001).
La Ciuda del Toquio. Ansicht der von Melchior Grübel mitgegründeten Stadt und des Tals von El Tocuyo, 1579. Zeichnung, Tinte auf Papier, 50,5 x 98 cm (Real Academia de la Historia, Madrid, C-028-001). […]

Noch 1545 war Grübel an der Gründung der Stadt El Tocuyo beteiligt, spätestens 1546 löste er sich jedoch von der Welser-Gesellschaft und trat in die Dienste des neuen Vizegouverneurs der Kolonie Juan de Carvajal, eines ehemaligen spanischen Welserfaktors. Vielleicht war dieser Wechsel eine Reaktion auf ein Gerichtsverfahren gegen die Welser. Wegen anhaltender Klagen über deren rücksichtslose Ausbeutung von Indigenen sowie von spanischen Siedlerinnen und Siedlern wurde diesen 1546 die Konzession über Klein-Venedig entzogen und die zwei Vertreter der Welsergesellschaft vor Ort auf Befehl von de Carvajal hingerichtet. 1552 war Grübel an der Gründung der Stadt Nueva Segovia de Bariquiçimeto beteiligt und zwischen 1545 und 1554 amtierte er als Statthalter in Santa Ana de Coro bzw. Neu-Augsburg, El Tocuyo und Borburata. Ende der 1540er Jahre hatte er eine weitere Tochter, wahrscheinlich mit Namen Beatriz. Er zählte in Venezuela unter den Siedlern zur ökonomischen Elite und sein Sohn Leonhard heiratete Maria Arias de Valdes, Tochter des Vizegouverneurs Alonso Arias de Villasinda. In den 1550er Jahren wurden er und sein Sohn Besitzer von sechs Encomiendas in El Tocuyo, was ihnen die Eintreibung von Abgaben und die Ausbeutung von Indigenen für Arbeitseinsätze erlaubte. 1559 dürfte Melchior Grübel für einige Monate als Vizegouverneur amtiert haben. Er war vom Konquistador zum Besatzer geworden.

Quellen und Literatur

  • Avellan De Tamayo, Nieves: La Nueva Segovia de Bariquiçimeto, 2 Bde., 1992.
  • Avellan De Tamayo, Nieves: En la ciudad de El Tocuyo. 1545-1600, 2 Bde., 1997.
  • Simmer, Götz: Gold und Sklaven. Die Provinz Venezuela während der Welser-Verwaltung (1528-1556), 2000.
  • Denzer, Jörg: Die Konquista der Augsburger Welser-Gesellschaft in Südamerika (1528-1556). Historische Rekonstruktion, Historiografie und lokale Erinnerungskultur in Kolumbien und Venezuela, 2005.
  • Krauer, Rezia; Stadelmann, Nicole et al. (Hg.): Konquistadoren und Sklavenhändler vom Bodensee. Kolonialgeschichte im 16. Jahrhundert, 2024.
Weblinks

Zitiervorschlag

Rezia Krauer: "Grübel, Melchior", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.05.2025. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/062214/2025-05-13/, konsultiert am 13.07.2025.