Als archäologische Kultur wird meist ein zeitlich und räumlich begrenzter Ausschnitt der materiellen Kultur (Sachkultur) bzw. der archäologischen Quellengrundlage bezeichnet. Die materielle Kultur umfasst alle durch eine Gesellschaft erschaffenen Zeugnisse, die in materialisierter Form erhalten geblieben sind. Dazu gehören Alltagsgegenstände, Reste von Siedlungen, Grabbeigaben sowie Kult- und Kunstobjekte, die in der Archäologie meist als Bodenfunde vorliegen und Rückschlüsse auf Lebensweisen und Bestattungssitten erlauben. Je nach Quellenlage und Forschungsstand ist von der überlieferten Sachkultur vergangener Epochen und bestimmter Regionen unterschiedlich viel bekannt. In Unkenntnis der dazugehörigen immateriellen Kultur (z.B. Normen, Verhaltensweisen, Traditionen, Glaubensvorstellungen, Sprache, Identität) lassen sich Funktion und Bedeutung der materiellen Hinterlassenschaft und deren Merkmale (z.B. Formen, Verzierungen, Materialien) für eine Gesellschaft oder Teile davon lediglich postulieren, beispielsweise mit Hilfe von Analogien und Funktionsanalysen.
Die archäologischen Funde und Befunde als erhalten gebliebene Teile der Kultur einer nicht mehr existenten Gesellschaft waren über die Zeit technologischen und formalen Veränderungen («Modeströmungen») unterworfen und weisen regionale Unterschiede auf. Im Rahmen kulturhistorischer Fragestellungen können durch Korrelation verschiedener Merkmale (Keramikstile, charakteristische Schmuckstücke, Bestattungsformen) archäologische Kulturen und deren zeitliche und räumliche Verbreitung konstruiert werden. Diese beruhen auf der zufälligen Überlieferung und willkürlichen Auswahl und widerspiegeln nicht die «tatsächliche» Kultur von Gemeinschaften. Archäologische Kulturen stellen daher keine kulturellen, soziopolitischen oder ethnischen Entitäten dar, sondern dienen der räumlichen und zeitlichen Gliederung der archäologischen Quellen (Datierung). In der Schweizer Archäologie werden archäologische Kulturen hauptsächlich in der Forschung zum Neolithikum verwendet, parallel dazu werden je nach Epoche und Region auch neutralere Begriffe wie Gruppe, Fazies, Stufen oder – für das Paläolithikum und Mesolithikum – Technokomplex genutzt.
Die Kulturnamen wurden zufällig in einer langen Forschungsgeschichte durch ein Merkmal (z.B. Schnurkeramikkultur) oder einen Fundort (z.B. Cortaillodkultur) geprägt und basieren hauptsächlich auf der in grosser Masse vorhandenen zeit- und regionaltypischen Fundgattung Keramik. Anfänglich basierten die Kulturbegriffe auf einem kulturhistorischen Ansatz und das regional und zeitlich gegliederte Fundmaterial wurde mit ethnischen Gruppen gleichgesetzt (Ethnologie). In den 1970er Jahren wurde die ethnische Deutung kritisiert und seither werden die archäologischen Kulturen meist, aber nicht ausschliesslich, im Sinne eines terminus technicus zur räumlich-zeitlichen Gliederung kulturanthropologischer Phänomene verwendet (Anthropologie). Eine andere Systematisierung zur Ordnung der neolithischen Sachkultur setzte sich bisher nicht durch. Auch wenn die Kulturnamen ziemlich willkürlich sind und von den Forschenden leicht abweichend mal für «einheitliche» überregionale Gruppen, mal für regional feiner untergliederte Gruppen verwendet werden, dienen sie im Sinne einer Konvention als gemeinsame Sprache.