24.8.1777 Lutzenberg, 16.10.1855 Thal (SG), reformiert, von Heiden. Söldner in sardinischen und neapolitanischen Diensten, Sklave in Tunis und Verfasser mehrerer Erfahrungsberichte.
Johannes Rohner, Sohn des Leonhard Rohner und der Anna Bänziger, wuchs in der Ausserrhoder Gemeinde Lutzenberg auf. Sein Vater war Pletzweber (Verfertiger von groben Flachstüchern) und hatte während der Krise der Textilindustrie in den 1770er Jahren als Söldner in holländischen Diensten gestanden. Als Johannes Rohner sieben Jahre alt war, zog die Familie ins benachbarte Wolfhalden. Sie kaufte dort ein Haus, in dem auch die Dorfschule untergebracht war, die Rohner besuchen konnte. Aufgrund der bescheidenen Vermögensverhältnisse der Familie blieb ihm eine Laufbahn als Pfarrer oder Lehrer verwehrt. Stattdessen erlernte er den Beruf seines Vaters.
Im Alter von 16 Jahren liess sich Rohner 1794 in Thal als Söldner für das im Dienst des Königreichs Sardinien stehende Regiment Schmid (Jakob Schmid) anwerben (Fremde Dienste). Nach dessen Auflösung trat er 1796 in ein Regiment in neapolitanischen Diensten ein (Neapel), in dem auch ein weiterer Appenzeller, Johannes Frischknecht von Schwellbrunn, diente. Rohner und Frischknecht schifften sich in Genua gemeinsam nach Neapel ein. Unterwegs kaperten muslimische Korsaren am 24. Dezember 1796 das Schiff und verschleppten die Reisenden nach Tunis. Der dortige Bey, Hammuda al-Husain, machte Rohner zu seinem Haussklaven und forderte aus dessen Heimat ein enormes Lösegeld von 2300 Gulden. Zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert war die Entführung von süd- und westeuropäischen Christen und Christinnen für die nordafrikanischen Regenzen ein lukratives Geschäftsmodell. Schätzungen gehen davon aus, dass in diesem Zeitraum mehrere hunderttausend Menschen aus diesen Regionen in Gefangenschaft gerieten. Mit Quellen belegt sind bisher die Schicksale von rund 60 Personen aus dem Gebiet der Eidgenossenschaft.
Die Loskaufverhandlungen gestalteten sich schwierig. Erlöse aus einer ersten Spendensammlung im helvetischen Kanton Säntis verschwanden 1800 spurlos, eine zweite Hilfsaktion im Kanton Appenzell Ausserrhoden brachte 1805 den Betrag von 1566 Gulden ein – zu wenig, um auch nur einen der beiden Sklaven freizukaufen. Mehr Glück hatten 1804 zwei Berner und ein Waadtländer, die ebenfalls in Tunis festgehalten wurden; ihre Heimatkantone konnten sie dank ertragreicherer Sammlungen freikaufen. Eine Wende für die beiden Appenzeller brachte erst Joseph Bonaparte, der als König von Neapel ab 1806 seine französischen Kontakte in Tunis dazu einsetzte, die ehemals neapolitanischen Söldner freizukaufen. Rohner und Frischknecht kehrten im November desselben Jahres in die Heimat zurück. 1807 heiratete der fortan als Bauer tätige Johannes Rohner Elsbetha Züst von Lutzenberg, Tochter des Heinrich Züst, mit der er sich in Wolfhalden niederliess. Aus dieser Verbindung gingen zehn Kinder hervor, von denen fünf Jungen und drei Mädchen das Erwachsenenalter erreichten. Ein gleichnamiger Sohn, Johannes Rohner, wanderte 1846 in die Vereinigten Staaten aus. Sein jüngster Bruder Heinrich Rohner folgte ihm ein Jahr später und beteiligte sich als Goldgräber am sogenannten kalifornischen Goldrausch. Nach ihm wurde die kalifornische Gemeinde Rohnerville benannt. Ein weiterer Bruder, Michael Rohner, berichtete als Chronist über die Familie.
Kurz nach seiner Rückkehr beschrieb Johannes Rohner 1808 im populären Appenzeller Kalender erstmals seine Erlebnisse in der Sklaverei. 1825 folgte eine ausführlichere und ideologisch die angebliche Überlegenheit der christlichen Religion rechtfertigende autobiografische Schrift, die als Fortsetzungsgeschichte in der St. Galler Zeitung Der Bürger- und Bauernfreund erschien und noch im selben Jahr als Sonderdruck herausgegeben wurde. Diese spätere Schrift reihte sich ein in das beliebte Genre der christlichen Sklavenberichte, die der Reintegration der jeweiligen Autoren in der Heimat dienten. Diese mussten nach ihrer meist jahrelangen Abwesenheit beweisen, dass sie dem christlichen Glauben treu geblieben waren und dass sich die Spenden aus der Heimat gelohnt hatten.