ReginaLampert

8.8.1854 Schnifis, 24.1.1942 Zürich, katholisch, Österreicherin, nach der Heirat von Sirnach. Verfasserin autobiografischer Texte über ihre Zeit als «Schwabenkind» und Magd in Vorarlberg sowie über ihre Einwanderung in die Schweiz.

Regina Lampert um 1892 im Alter von etwa 38 Jahren mit ihren vier Töchtern Emma, Berta, Elsa und Anna (von links nach rechts) sowie um 1936 am Ufer des Zürichsees (Regina Hiemeyer, Erlenbach; Limmat Verlag, Zürich).
Regina Lampert um 1892 im Alter von etwa 38 Jahren mit ihren vier Töchtern Emma, Berta, Elsa und Anna (von links nach rechts) sowie um 1936 am Ufer des Zürichsees (Regina Hiemeyer, Erlenbach; Limmat Verlag, Zürich).

Regina Lampert wuchs als Tochter des Johann Anton Lampert und der Augustina geborene Rauch in ärmlichen Verhältnissen im vorarlbergischen Schnifis auf. Die kinderreiche Familie lebte von Handwerk (Küblerei), Heimarbeit, etwas Landwirtschaft und Saisonarbeit. Regina Lampert wurde ab 1864 für mehrere Sommer auf einen Bauernhof im württembergischen Berg (Ailingen) bei Friedrichshafen verdingt (Verdingung). Sie gehörte wie ihre Geschwister zu jenen Tausenden von Kindern aus Vorarlberg, Teilen Tirols und Graubündens, die bis ins 20. Jahrhundert alljährlich jeden Frühling in ganzen Wanderzügen für einen langen Sommer (meist 19. März bis 11. November) in die wirtschaftlich bevorzugten und von billigen Arbeitskräften abhängigen Gebiete Südwestdeutschlands zogen. Später arbeitete Lampert als Magd an verschiedenen Orten in Vorarlberg (Gesinde). 1875 zog sie in die Schweiz (Einwanderung), lebte zuerst in St. Josefen (Gaiserwald), wo sie ihren Bruder Jakob Lampert in dessen Jahre zuvor gegründeten Baugeschäft unterstützte, und ab 1880 in St. Gallen. 1881 heiratete sie Benedikt Bernet, Kondukteur der Nordostbahn, mit dem sie vier Töchter hatte. 1893 liessen sie sich in Zürich nieder, betrieben dort zusammen ein Baugeschäft (Baugewerbe) und handelten mit Liegenschaften. Nach dem Tod ihres Mannes 1899 arbeitete sie unter anderem als Modistin (Modegewerbe) und führte in ihrer Wohnung am Hottingerplatz eine Pension (Gastgewerbe).

Passage aus Regina Lamperts Manuskript ihrer Jugenderinnerungen, Heft 8 von 1933, 22 x 17,5 cm (Zentralbibliothek Zürich, Ms Z II 777).
Passage aus Regina Lamperts Manuskript ihrer Jugenderinnerungen, Heft 8 von 1933, 22 x 17,5 cm (Zentralbibliothek Zürich, Ms Z II 777).

Im Alter von 75 Jahren begann Lampert Ende der 1920er Jahre, ihre Jugenderinnerungen in Heften festzuhalten. Mit Erzähltalent, Beobachtungsgabe und der Fähigkeit, Stimmungen wiederzugeben, beschrieb sie im Rückblick die Freuden und Leiden des Alltags als «Schwabenkind» und Magd in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft. Die neun Hefte des bis 1933 entstandenen Manuskripts hinterliess sie ihrer Familie. Auf Initiative einer ihrer Enkelinnen konnte Mitte der 1990er Jahre die Edition der Aufzeichnungen in Angriff genommen werden, die 1996 unter dem Titel Die Schwabengängerin. Erinnerungen einer jungen Magd aus Vorarlberg 1864-1874 erschienen. Das Buch erfuhr mehrere Auflagen und stand am Anfang des öffentlichen Interesses für die «Schwabenkinder» des 19. und 20. Jahrhunderts.

Bei Regina Lamperts Lebenserinnerungen handelt es sich um eines der wenigen Selbstzeugnisse ehemaliger «Schwabenkinder» und die einzige umfassende und veröffentlichte Aufzeichnung. Ihre Geschichte hat durch verschiedene Ausstellungen und Publikationen zu Kinderarbeit und Verdingung weite Verbreitung gefunden und verschaffte nicht nur ihr, sondern auch dieser bis dahin wenig bekannten Thematik einen Platz im kollektiven Gedächtnis. 1996 wurde in Lamperts Geburtsort Schnifis ein Platz nach ihr benannt und eine Gedenktafel angebracht.

Quellen und Literatur

  • Lampert, Regina: Die Schwabengängerin. Erinnerungen einer jungen Magd aus Vorarlberg 1864-1874, hg. von Bernhard Tschofen, 1996.
  • Lampert, Regina: Von der Schwabengängerin zur Lebensmeisterin. Erinnerungen einer starken Frau an ihre Zeit in St. Josefen-Abtwil (CH) 1875-1880, hg. vom Ortsmuseum Gaiserwald, 2015.
  • Wedel, Gudrun: «Lampert, Regina», in: Wedel, Gudrun (Hg.): Autobiographien von Frauen. Ein Lexikon, 2010, S. 466-467.
  • Tschofen, Bernhard: «Die Jugenderinnerungen der Regina Lampert. Zur Einführung», in: Lampert, Regina: Die Schwabengängerin. Erinnerungen einer jungen Magd aus Vorarlberg 1864-1874, hg. von Bernhard Tschofen, 2022, S. 11-46 (Neuauflage).
  • Tschofen, Bernhard: «Schreibendes "Schwabenkind". Regina Lamperts Lebenserinnerungen», in: Barnay, Markus; Rudigier, Andreas (Hg.): Vorarlberg. Ein Making-of in 50 Szenen. Objekte – Geschichte – Ausstellungspraxis, 2022, S. 112-113 (Ausstellungskatalog).
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Zitiervorschlag

Bernhard Tschofen: "Lampert, Regina", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.06.2024. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/062260/2024-06-20/, konsultiert am 23.04.2025.