Dank dem Einsatz modernster naturwissenschaftlicher Methoden weiten Archäologinnen und Archäologen ihre Quellenbasis laufend aus. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die hochspezialisierte schweizerische Feuchtboden- und Unterwasserarchäologie, die internationales Renommee geniesst. Mit dem Projekt zu den Ufersiedlungen greift das HLS die Ergebnisse dieser Forschung auf und konkretisiert seine Absicht, die Präsenz der ältesten Geschichte im Lexikon zu verstärken.
Im Rhythmus der Klimaschwankungen
Zwischen 4500 und 800 v.Chr. bildete sich in Zeiten relativer Trockenheit an Seeufern und in Feuchtgebieten beidseits der Alpen ein spezieller Siedlungstyp aus, wobei Kälteperioden diese Entwicklung immer wieder für kürzere oder längere Phasen unterbrachen. Die von ersten europäischen Ackerbauern und Viehzüchtern zeugenden Ufer- oder Feuchtbodensiedlungen sind im Gebiet der Schweiz besonders zahlreich vertreten. Dieses neue archäologische Forschungsgebiet stand vom 19. Jahrhundert an nicht nur am Anfang der urgeschichtlichen Sammlungen vieler Museen in der Schweiz und im Ausland, sondern trug auch wesentlich zur Erforschung der Umwelt- und der Klimageschichte bei.
Ausgezeichnete Erhaltungsbedingungen

Die Ufersiedlungen, die sogenannten Pfahlbauerdörfer, unterscheiden sich von den zeitgleichen Niederlassungen auf festem Boden durch die aussergewöhnlich guten Konservierungsbedingungen für organische Materialien (Holz, Flechtwaren, Textilien), die in den Ablagerungen am Seegrund oder in Feuchtgebieten herrschen. Die einzigartigen Funde erhellen das Alltagsleben und die technischen Fertigkeiten der Menschen dieser längst vergangenen Zeiten und haben zahlreiche Weiterentwicklungen in Spezialdisziplinen wie z.B. der Dendroarchäologie angestossen. 2011 hat die Unesco 111 solcher Fundstellen wegen ihres herausragenden Werts in das Weltkulturerbe aufgenommen. Die Hälfte dieser Fundstellen liegt in der Schweiz. Für fast 400 weitere sogenannte "assoziierte Fundstellen" in der Schweiz gelten die gleichen Schutzbedingungen.
Die Projektkonzeption des HLS
Der neue Überblicksartikel Ufersiedlungen bildet eine auf dem aktuellen Forschungsstand beruhende Synthese, die in das Thema einführt und die notwendigen Hintergrundinformationen liefert. Ergänzt wird er durch neue Artikel zu einzelnen Fundstellen, die sowohl den Besonderheiten der jeweiligen Siedlungen wie auch den strukturellen Gemeinsamkeiten Rechnung tragen. Sie bieten auf engem Raum eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus einer Vielzahl verstreuter wissenschaftlicher Spezialpublikationen. Dafür wurden auf der Grundlage der Unesco-Welterbeliste 24 Westschweizer Fundstellen rund um den Genfer- und Neuenburgersee, wo sie in grosser Konzentration vorkommen, sowie am Murten-, Seedorf- (Kanton Freiburg) und Bielersee ausgewählt. Es ist geplant, zu einem späteren Zeitpunkt eine Artikelserie über die Fundstellen in der Deutschschweiz zu ergänzen. Im Tessin sind neolithische oder bronzezeitliche Ufersiedlungen bis heute nicht zweifelsfrei belegt.
Zur Bebilderung

Die ausgewählten Multimediaelemente beleuchten einerseits die Besonderheit einer jeden Fundstelle, erlauben andererseits auch eine Gesamtschau des Phänomens. Der rege Austausch mit den Autorinnen und Autoren ermöglicht die Präsentation von vielfältigem Bildmaterial wie älteren und neuesten Fotografien (Objekten, Fundstellen, Landschaften, Personen), Zeichnungen (Gegenständen, Illustrationen), alten Karten und Infografiken.
Autorinnen, Autoren und Gutachter
Das nun abgeschlossene Projekt verdankt sein Zustandekommen dem engagierten und kompetenten Einsatz einer ganzen Reihe von Expertinnen und Experten:
Pierre Courboud, Archäologe, Prähistoriker und Spezialist für die Erforschung der Ufersiedlungen, wirkte als wissenschaftlicher Berater und koordinierte die Bildauswahl zusammen mit der Projektleitung des HLS. Neben vielen neuen Artikeln über die einzelnen Fundstellen verfasste er auch den thematischen Überblicksartikel.
Sonia Wüthrich, Kantonsarchäologin von Neuenburg, erarbeitete drei der fünf Artikel zu den Neuenburger Fundstellen.
Michel Mauvilly, Sektorchef für Ur- und Frühgeschichte im Amt für Archäologie des Kantons Freiburg, übernahm das Verfassen der fünf Artikel über die Freiburger Ufersiedlungen.
Marc-Antoine Kaeser, Direktor des Laténium, parc et musée d’archéologie de Neuchatêl in Hauterive, begutachtete gut die Hälfte der vorliegenden Artikel.
Die neuen Artikel