GLOSSARIUM
HELVETIAE
HISTORICUM
ORTSNAMEN: 
 
EINFÜHRUNG

Inhalt

Dieses Glossarium Helvetiae historicum ist den mehrsprachigen Ortsnamen der Schweiz gewidmet, das heisst den Namen von Gebieten (Kantonen, Gegenden, Tälern, Bergmassiven), Siedlungen (Städten, Dörfern, Weilern), Bergen, Pässen, Seen, Flüssen und vereinzelt auch Stadtquartieren, Schlössern, Klöstern u.ä., die in verschiedenen Sprachen in abweichender Form geläufig waren oder immer noch sind. Es fehlen demnach alle einsprachigen Ortsnamen, die mehrsprachigen Flurnamen - sie sind in den kantonalen Ortsnamenbüchern zu finden - sowie die Doppelbezeichnungen von Gassen, Strassen und Plätzen, vor allem in den Städten Freiburg und Biel. Stimmt der Name einer Region (Bezirk, Vogtei usw.) mit dem ihres Hauptortes überein, wird nur der letztere berücksichtigt.

Dem elektronischen Glossar liegt das praktisch unveränderte, 1991 von Norbert Furrer für das Historische Lexikon der Schweiz als Buch veröffentlichte Glossarium zu Grunde. Im Moment sind keine Erweiterungen oder Korrekturen geplant. Fehlermeldungen und Anregungen können im Hinblick auf eine spätere Aktualisierung an geschickt werden.

Die Liste umfasst die Namen von rund 1400 Orten in deutscher, französischer, italienischer oder rätoromanischer Sprache. Sie enthält keine lateinischen Toponyme. Rund zweihundert der verzeichneten Orte liegen im benachbarten Ausland der Schweiz; etwa zwanzig sind historische, heute nicht mehr existierende Objekte wie die Acht alten Orte, der Gotteshausbund oder die Waldstätten.

Amtliche Doppelnamen tragen in der Schweiz nur wenige Orte. Gemeinden beispielsweise sind es deren fünfzehn: Bergün/Bravuogn, Biel/Bienne, Bosco/Gurin, Breil/Brigels, Celerina/Schlarigna, Disentis/Mustér, Domat/Ems, Feldis/Veulden, Lantsch/Lenz, Lenzerheide/Lai, Magglingen/Macolin, Sils/Segl Baselgia - Segl Maria, Tumegl/Tomils, Vaz/Obervaz, Waltensburg/Vuorz. Bei den übrigen zwei- oder mehrsprachigen Namen stehen jeweils dem amtlichen Ortsnamen ("Endonym") ein oder mehrere Exonyme, d.h. anderssprachige Ortsnamen gegenüber. Etwa ein Drittel der angeführten Exonyme sind auch heutzutage noch allgemein üblich; die andern werden nicht - oder kaum - mehr gebraucht (historische Exonyme).

Vorgehen

Beim Sammeln des Materials wurde von bereits bestehenden Listen mehrsprachiger Ortsnamen ausgegangen (bibliographische Angaben zu Blocher/Garraux, Boschung, Doppelnamen, Liste, Pflugfelder oder Steiger unter Quellen). Informationen aus Ortsverzeichnissen, Namenbüchern und Landeskarten, aus geographischen und historischen Lexika, aus ältern Wörterbüchern, Karten, Reiseberichten und ein paar amtlichen Texten, aus sprach- und allgemeingeschichtlichen Arbeiten ergänzten diese Listen.

Die den Artikeln beigefügten Quellenangaben bilden meist nur eine Auswahl der benutzten und vorhandenen Dokumentation. Zudem wird nicht jede erwähnte Form einzeln belegt und die Bestätigung gewisser bestbekannter Formen sowie die Hinweise auf mündliche Auskünfte weggelassen.

Die ins Auge gefasste Zeitspanne reicht bis gegen 1500 zurück. Spätmittelalterliche Formen wurden demnach nicht berücksichtigt, auch sind neuere Schreibweisen im allgemeinen besser vertreten als die der ersten Jahrhunderte der Periode. Die angeführten Namensformen sind nicht datiert. An Sprachgeschichte liefern die Listen nur den Hinweis darauf, ob die verschiedenen Exonyme - im überregionalen allgemeinen Sprachgebrauch - heute noch gängig sind oder nicht. Das heisst auch, dass auf lokale und gruppenspezifische Gepflogenheiten bei der Verwendung von Exonymen nicht eingegangen wird.

In Zeiten spärlicheren Schriftverkehrs und geringerer staatlicher Präsenz gab es für gewöhnlich auch bei den Ortsnamen mehrere Sprech- und Schreibvarianten innerhalb derselben Sprache. Angaben dazu sind hier keineswegs vollständig. Anderseits musste - aus praktischen Gründen - oft zwischen zahlreichen in der Literatur zitierten Schreibweisen gewählt werden (Pflugfelder gibt beispielsweise für Locarno 32, für Lugano 46, für das Veltlin 51 verschiedene selbständige deutsche Formen). In der Regel werden jene Varianten bevorzugt, die als die am weitesten verbreiteten gelten, aber auch solche, die man nicht ohne weiteres mit der Hauptform (Hauptvariante) in Verbindung bringt. Hauptform eines Ortsnamens ist jene, die Anfang der 1990er Jahre als amtlich galt, im Fall der Exonyme aber die der jetzigen Schreibweise entsprechende oder der heutigen Schreibnorm nächstliegende Form.

Modernisiert wurden ältere Namensformen nur dort, wo es bedenkenlos schien. So steht vor Konsonant i bzw. u statt früherem j bzw. v, französisch St- statt St., Tal (oder -tal) statt Thal (-thal) bei deutschen Namen von Tälern.

Typologie

Die Exonyme bzw. Ortsnamenpaare sind nicht alle auf die gleiche Art entstanden. Die verschiedenen Bildungsmuster seien hier kurz skizziert.

1. Ein Ortsname wird in eine andere Sprache übernommen und den fremden Sprachgewohnheiten - mündlich und schriftlich - angepasst. Das Exonym ist gewissermassen ein "Lehnname", das entstandene Paar ein "Entlehnungspaar". Beispiele: Bern - Berne - Berna, Glarus - Glaris, Lenzburg - Lenzbourg, Schaffhausen - Schaffhouse - Schiaffusa - Schaffusa, Zürich - Zurich - Zurigo.

2. Die beiden Elemente eines Paares gehen auf eine gemeinsame (keltische, rätische, lateinische) Grundform zurück. Die Unterschiede zwischen den Namen erklären sich durch die andersartige Entwicklung ihrer Sprachen. Beispiele für solche "Parallelnamen" bzw. "Spaltungspaare": Martigny/Martinach aus Martiniacum, Rhône/Rotten/Rodano/Rodan aus Rhodanus, Sion/Sitten aus Sedunum, Yverdon/Iferten aus Eburodonum.

3. Das Exonym ist eine Übersetzung des anderssprachigen Namens. Wir haben es also mit "Übersetzungsnamen" bzw, "-paaren" zu tun. Beispiele: La Sauge - Fehlbaum, Gemmipass - Col des chemins, Obersaxen - Sursaissa, La Roche - Zurflüh, Schmitten - Ferrera.

4. Die Namen, die ein Ort in verschiedenen Sprachen trägt, sind unabhängig voneinander gebildet worden und haben daher nichts gemein. Solche "Doppelnamen" (im engeren Sinn) bilden sogenannte freie Namenpaare (Zinsli). Beispiele: Burgdorf - Berthoud, Gänsbrunnen - St-Joseph, Genfersee - Lac Léman, Jaun - Bellegarde, Maderanertal - Val da Fier, Matterhorn - Cervin, Rothenbrunnen - Giuvaulta, Stätzer Horn - Piz Raschil.