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Suisse romande

Romandie

Suisse romande meint in einem allgemeinen Sinn den französischsprachigen Teil der Schweiz, der auch Romandie (v.a. in der Deutschschweiz gebräuchlich), Westschweiz, Französische Schweiz, Welsche Schweiz oder Welschland genannt wird. Er umfasst die Kantone Genf, Jura, Neuenburg und Waadt sowie die frankophonen Teile der zweisprachigen Kantone Bern, Freiburg und Wallis. Verbindendes Element ist die Landessprache Französisch. In einem engeren, historischen Verständnis betont der Begriff seit Beginn des 20. Jahrhunderts die kulturelle Eigenständigkeit der Westschweiz gegenüber Frankreich und der Deutschschweizer Mehrheit. Im Zug der Kultur- und Zivilisationskritik am Ende der Belle Epoque propagierten Schriftsteller und Journalisten, unter anderem um die Zeitschrift La Voile latine, eine geistige Identität und Kultur der Romands. Mit dieser Idee ging ein schweizerisches Zusammengehörigkeitsgefühl (Helvetismus) einher, das die kulturelle Vielgestaltigkeit des Landes als eigentliches Merkmal betonte (Neue Helvetische Gesellschaft). Als Einheit empfand sich die Suisse romande insbesondere zu Beginn des Ersten Weltkriegs, als die Sympathien der Schweizer für die Krieg führenden Staaten entlang der Sprachgrenze verliefen, was zu innenpolitischen Spannungen führte (Röstigraben). In der Zeit der Geistigen Landesverteidigung stärkte die Vorstellung von der Vielfalt in der Einheit die Wahrnehmung einer Suisse romande. Dazu trugen die Landessender Radio Suisse romande und Télévision Suisse romande bei. Nach und nach verlor der Begriff seine historische Bedeutung und wurde zum Synonym für die französischsprachige Schweiz. Im Jurakonflikt politisierte Roland Béguelin mit dem Schlagwort der Suisse romande. Seit den 1980er Jahren treten bei nationalen Abstimmungen die sprachregionalen Gegensätze wieder stärker hervor, vor allem in der EWR-Abstimmung von 1992. Alain Pichards Schrift "La Romandie n'existe pas" (1978) macht deutlich, dass es sich bei der Suisse romande um keine Einheit handelt. Vielmehr scheinen die kantonalen Identitäten ausgeprägter als in der Deutschschweiz zu sein und damit auch der Föderalismus, da Bundeskompetenzen vor allem das Gewicht der deutschschweizerischen Mehrheit zur Geltung bringen.

Quellen und Literatur

  • C. Büchi, "Röstigraben", 2000
  • W. Linder et al., Gespaltene Schweiz – geeinte Schweiz, 2008, 59-63
  • F. Cherix, La question romande, 2009
  • G. Andrey, La Suisse romande, 2012
Weblinks
Normdateien
GND
Kurzinformationen
Kontext Französische Schweiz, Welsche Schweiz, Welschland, Westschweiz

Zitiervorschlag

Georg Kreis: "Suisse romande", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.12.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017441/2013-12-03/, konsultiert am 29.03.2024.