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Einzelhofsiedlung

Unterschächen, um 1940. Fotografie von Karl Iten (Staatsarchiv Uri, Altdorf, Nachlass Karl Iten).
Unterschächen, um 1940. Fotografie von Karl Iten (Staatsarchiv Uri, Altdorf, Nachlass Karl Iten). […]

Eine Einzelhofsiedlung ist ein mehr oder weniger grosses Gebiet, in dem nur Einzelhöfe vorkommen (Siedlung). Einzelhöfe bestehen aus einer einzigen, meist landwirtschaftlichen Wohn- und Arbeitsstätte und werden gewöhnlich nur von einer Familie bewohnt und bewirtschaftet. Sie können aus einem einzigen, mehrfunktionalen Gebäude (Einhof), aus zwei Gebäuden, meist Wohn- und Ökonomiegebäude (Zwei- oder Zwiehof), oder aus mehreren Gebäuden (Gruppenhof) gebildet sein (Bauernhaus). Die Hauptgebäude mit Wohnfunktion liegen in der Einzelhofsiedlung mindestens 100 m voneinander entfernt, andernfalls handelt es sich um eine Gruppensiedlung. Ein Sonderfall der Einzelhofsiedlung ist die Streusiedlung. Sie besteht aus Einzelhöfen, bei denen die spezialisierten Ökonomiegebäude mehr oder weniger regelmässig über die ganze landwirtschaftliche Nutzfläche verteilt sind; dadurch entsteht ein relativ dichtes Siedlungsmuster aus Einzelgebäuden.

Kolorierter Grundstückplan der in Malters liegenden Höfe Spitzhof und Büchelhof, im Besitz der Franziskanerbrüder von Luzern, 1780 (Staatsarchiv Luzern, PLA 92/5).
Kolorierter Grundstückplan der in Malters liegenden Höfe Spitzhof und Büchelhof, im Besitz der Franziskanerbrüder von Luzern, 1780 (Staatsarchiv Luzern, PLA 92/5). […]

Einzelhofsiedlungen können durch spontane, individuelle Besiedlung oder durch geplante Kolonisation entstehen. In der Regel führten privat oder staatlich geplante Kolonisationen zu regelmässigen Siedlungsmustern mit arrondiertem Landbesitz. Individuell und spontan besiedelte Einzelhofgebiete sind meistens unregelmässig, wobei der Landbesitz arrondiert oder in Gemengelage sein kann. Einzelhofsiedlungen entstanden in jeder Siedlungsperiode (Landesausbau). Sie konnten als Gründungssiedlungen primär oder durch Auflösung von Dörfern (Verkoppelungsprozess, Vereinödung) sekundär entstehen. Die «Stammestheorien» des 19. Jahrhunderts, welche die Einzelhofsiedlungen den Kelten, den Germanen oder speziell den Alemannen und die Dörfer den Romanen zuschrieben, sind längst überholt. Aber auch die naturdeterministische Auffassung, dass die Siedlungsstruktur unmittelbar durch den Naturraum bedingt sei, ist zu einseitig und zu statisch. Höhenlage, Relief und Klima spielten jedoch eine wichtige Rolle im Besiedlungsprozess und für die agrare Wirtschaftsform.

Einzelhofsiedlungen dominieren – seit der frühen Neuzeit deutlich erkennbar – im Hügelgebiet des höheren Mittellandes mit Feldgraswirtschaft und im nordalpinen Streusiedlungsgebiet mit Viehwirtschaft (Agrarzonen). Das tiefere Mittelland war in gallorömischer Zeit vorwiegend mit Einzelhöfen (Römischer Gutshof) besiedelt, in der Landnahmezeit des Frühmittelalters herrschten Einzel- und Weilersiedlungen vor, die sich gleichzeitig mit der Entwicklung der Dreizelgenwirtschaft zu Dörfern verdichteten, aus denen erst in der Neuzeit durch Einschläge in den Allmenden wieder Einzelhöfe entstanden. Im 20. Jahrhundert siedelte man im Rahmen von Güterzusammenlegungen vielerorts Einzelhöfe aus. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden im Rahmen der Innenkolonisation bereits früher entsumpfte Flussebenen teilweise nach ausländischen Vorbildern geometrisch erschlossen und mit Einzel- oder Doppelhöfen besiedelt. Im Kettenjura gründeten aus dem Emmental ausgewanderte Täufer im 18. Jahrhundert in den höher gelegenen Gebieten Einzelhöfe mit Ackerbau und Viehwirtschaft ausserhalb der früh besiedelten Taldörfer mit Zelgenfluren. Neben den naturräumlichen und wirtschaftlichen Faktoren spielten die gesellschaftliche und rechtliche Organisation, insbesondere das Erbrecht, eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Einzelhofsiedlungen. Dabei dürfte das stark familienorientierte Verhalten mit dem obersten Ziel der Erhaltung des Hofes und das Anerbenrecht, vielfach mit Weitergabe des Hofes an den jüngsten Sohn, sowohl Ergebnis wie Voraussetzung der Einzelhofentwicklung sein.

Gesamthaft ist die Einzelhofsiedlung trotz hoher Persistenz von Siedlungsstrukturen durch Anpassung an veränderte wirtschaftliche, soziale und rechtliche Bedingungen und als Folge technischer Entwicklungen einem steten Wandel unterworfen. Dadurch verschwinden Einzelhofsiedlungen durch Konzentrations- und Wüstungsprozesse oder es entstehen neue durch Dezentralisations- oder Landnahme- und Ausbauprozesse. Der Schutz von Einzelhof- und Streusiedlungen als Teil des Landschaftsschutzes muss deshalb räumlich differenziert und dynamisch umgesetzt werden, wenn er nicht nur museale Ziele verfolgt.

Quellen und Literatur

  • R. Weiss, Häuser und Landschaften der Schweiz, 1959
  • Die Siedlungen des ländl. Raumes, hg. von H. Uhlig, C. Lienau, 1972
  • G. Grosjean, «Bäuerl. Siedlungs- und Flurformen», in Atlas der Schweiz, Bl. 38 und 38a, 1973
  • M. Born, Geographie der ländl. Siedlungen, 1977
  • G. Schwarz, Allg. Siedlungsgeographie, 1989
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans-Rudolf Egli: "Einzelhofsiedlung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 17.10.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007948/2005-10-17/, konsultiert am 28.03.2024.