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Regalien

Abgeleitet von iura regalia (= königliche Rechte), bezeichneten Regalien ursprünglich alle Hoheitsrechte, Besitzungen und Güter des Königs, die ihm als dingliche Grundlage seiner Königsherrschaft zustanden. Die inhaltlichen Unterscheidungen im Lauf des Investiturstreits und die Herausbildung politisch-juristischer Begriffe im 11. und 12. Jahrhundert gaben den Regalien eine präzisere Rechtsqualität. Papst Paschalis II. definierte im Jahr 1111 unter anderem Herzogtümer, Grafschaften, Städte, Münzstätten, Zölle, Märkte, Reichsvogteien (Reichsvogt) und Reichsburgen als Regalien. Gemäss dem Wormser Konkordat von 1122 waren Regalien in engerer Bedeutung weltliche Herrschaftsrechte (Temporalien), die der König dem kanonisch gewählten geistlichen Würdenträger durch das Zepter (Regalieninvestitur) unter Lehnsrecht übergab. Mit der «Regalisierung» der staatlichen Hoheitsrechte, welche die Bischöfe und Äbte der Reichsklöster ausübten, wurden diese von Amtsträgern zu Lehnsleuten des Reichs, was ihren Aufstieg in den Stand der Reichsfürsten (Fürstentümer) und Landesherren (Territorialherrschaft) ermöglichte.

Seine Ausprägung als Inbegriff königlicher Hoheitsrechte erhielt der Terminus Regalien im 12. und 13. Jahrhundert durch die Rezeption des römischen Rechts, insbesondere des spätantiken Kaiserrechts unter den Staufern. Das auf dem Reichstag von Roncaglia (Emilia-Romagna) 1158 nach Beratung durch bolognesische Rechtsgelehrte geschaffene Weistum über die Regalien nannte unter anderem die folgenden finanziell nutzbaren Rechte: Strassen, Flüsse, Zölle, Münzstätten, Silbergruben (Bergbau), Fischfang (Fischerei) und Salzgewinnung (Salz). Die Regalien dienten auch als Instrumente der staatlichen Verwaltung und zur Förderung des öffentlichen Wohls (Forstregal zum Schutz der Wälder, Zollregal zum Strassen- und Brückenbau, Geleit zur Sicherheit der Verkehrswege). Aus der besonderen Stellung der Juden als Knechte der königlichen Kammer erwuchs im 13. Jahrhundert das Judenregal (Judensteuer).

Die Vergabe von Regalien an Fürsten und Städte im Lehnsrecht sicherte zunächst die Unveräusserlichkeit der Reichsrechte. Im Lauf des Hoch- und Spätmittelalters gingen dennoch die meisten dieser ertragreichen Regalien durch Übertragung oder Usurpation in die Verfügung von Landesherren und Städten über. Von besonderer Bedeutung für die Ausbildung der Landesherrschaft wurden Grafschaft und Reichsvogtei sowie Berg-, Salz-, Münz- und Zollregal.

Kupfertafel der Fischer'schen Post aus dem 18. Jahrhundert (Museum für Kommunikation, Bern).
Kupfertafel der Fischer'schen Post aus dem 18. Jahrhundert (Museum für Kommunikation, Bern). […]
Eine Archivschachtel mit den Akten zu den Regalien der Jahre 1803-1836 im Staatsarchiv des Kantons Waadt (Archives cantonales vaudoises, Chavannes-près-Renens, K XI b 11, Foto Rémy Gindroz).
Eine Archivschachtel mit den Akten zu den Regalien der Jahre 1803-1836 im Staatsarchiv des Kantons Waadt (Archives cantonales vaudoises, Chavannes-près-Renens, K XI b 11, Foto Rémy Gindroz).

In der Schweiz gelangten Regalien an regionale Gewaltträger zuerst durch Schenkungen und Grafschaftsverleihungen des hochburgundischen Königs Rudolf III. an die Bischöfe von Basel, Sitten (beide 999) und Lausanne (1011; im Spätmittelalter wurde allerdings die Schenkung von 896 als prima donatio regalium interpretiert). Königsferne und der allgemeine Aufschwung im Hochmittelalter brachten in den Händen des regionalen Adels das Befestigungs- (Burgenbau) und das Forstregal (voralpine Rodungsherrschaften, z.B. der Graf von Greyerz) zur Bedeutung. Für die Hochadelsgeschlechter von Zähringen, Kyburg, Habsburg und Savoyen war das Recht, die Regalien selbstständig ausüben zu können, beim Aufbau ihrer Territorialherrschaften wichtig. Ähnliches erreichten im 14. und 15. Jahrhundert auch Städte, Landschaften und geistliche Herren im Status der Reichsunmittelbarkeit, wobei die eidgenössischen Orte besonders erfolgreich waren: Reichsprivilegien der Luxemburger Herrscher Karl IV., Wenzel und Sigismund legitimierten entweder einen von den Orten bereits erreichten Stand, oder sie ermöglichten ihnen die volle staatliche Entwicklung. Daneben verblieben einzelne Regalien noch lange bei den Landgrafen (z.B. Offnung der Landgrafschaft Buchsgau vom 9. November 1386).

In der Neuzeit vereinigten die eidgenössischen Stände alle Regalien (die insgesamt an Bedeutung einbüssten) in ihrer Territorialhoheit. 1848 gelangten einige der verbliebenen Regalien als Hoheitsrechte (Monopole) und wichtige Einnahmequellen an den neu gegründeten Bundesstaat (z.B. Münz-/Banknoten-, Postregal, Zoll-, Alkoholmonopol, Masse und Gewichte, Regiebetriebe). Andere sind bei den Kantonen geblieben oder in privates Recht übergegangen (Salz-, Berg-/Schatz-, Jagd-, Fischerei- und Forstregal).

Quellen und Literatur

  • A. Gasser, Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiete der Schweiz. Eidgenossenschaft, 1930
  • B. Meyer, Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jh., 1972
  • Peyer, Verfassung
  • HRG 4, 472-479
  • M. Körner, «Steuern und Abgaben in Theorie und Praxis im MA und in der frühen Neuzeit, », in VSWG, 1994, Beih. 114, 53-76
  • LexMA 7, 556-561
Weblinks

Zitiervorschlag

Ernst Tremp: "Regalien", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.12.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008038/2011-12-23/, konsultiert am 29.03.2024.